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EINE GROSSE RELIGIÖSE ERWECKUNG 20
Die
erste Engelsbotschaft von Offenbarung 14, 6-7 ist eine gewaltige Warnung an alle,
die in unserer Zeitepoche leben. Eine Botschaft, die das erste Mal weit verkündigt
wurde zur Zeit der großen religiösen Erweckungen. Von Land zu Land In der Weissagung von der ersten Engelsbotschaft in Offenbarung 14 wird
unter der Verkündigung der baldigen Ankunft Christi eine große religiöse
Erweckung vorhergesagt. Johannes sieht einen Engel fliegen „mitten durch den
Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden
wohnen, und allen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern." „Mit
großer Stimme" verkündigte er die Botschaft: „Fürchtet Gott und gebet
ihm die Ehre; denn die Zeit seines Gerichts ist gekommen! Und betet an den, der
gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserbrunnen."
(Offb. 14, 6.7.) Die
Tatsache, daß ein Engel als der Herold dieser Warnung bezeichnet wird, ist
bedeutungsvoll. Es hat der göttlichen Weisheit gefallen, durch die Reinheit,
die Herrlichkeit und die Macht des himmlischen Boten die Erhabenheit des durch
die Botschaft zu verrichtenden Werkes und die Macht und Herrlichkeit, welche sie
begleiten sollten, darzustellen. Und das Fliegen des Engels „mitten durch den
Himmel“, die „große Stimme“, mit der die Botschaft verkündigt wird, und
ihre Verbreitung unter allen, „die auf Erden wohnen“, „allen Heiden und
Geschlechtern und Sprachen und Völkern“ bekunden die Schnelligkeit und die
weltweite Ausdehnung der Bewegung. Die Botschaft selbst gibt Licht über die Zeit, wann diese Bewegung
stattfinden soll. Es heißt, daß sie ein Teil des „ewigen Evangeliums“ sei;
und sie kündigt die Eröffnung des Gerichts an. Die Heilsbotschaft ist in allen
Zeitaltern verkündigt worden; aber diese Botschaft ist ein Teil des Evangeliums,
das nur in den letzten Tagen verkündigt werden konnte, denn nur dann konnte es
wahr sein, daß die Zeit des Gerichts gekommen ist. Die Weissagungen zeigen eine
Reihenfolge von Ereignissen, welche bis zur Eröffnung des Gerichts reichen.
Dies ist besonders der Fall mit dem Buch Daniel. Jenen Teil seiner Weissagung
aber, welcher sich auf die letzten Tage bezog, sollte Daniel verbergen und
versiegeln „bis auf die letzte Zeit.“ Erst dann, wann diese Zeit erreicht
war, konnte die Botschaft des Gerichts, welche sich auf die Erfüllung dieser
Weissagung gründet, verkündigt werden. Aber in der letzten Zeit, sagt der
Prophet, „werden viele darüber kommen und großen Verstand finden.“
(Dan. 12, 4.) Der
Apostel Paulus warnte die Gemeinde, das Kommen Christi in seinen Tagen zu
erwarten: „Denn er [der Tag Christi] kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der
Abfall komme, und offenbart werde der Mensch der Sünde.“ (2. Thess. 2, 3.)
Erst nach dem großen Abfall und der langen Regierungszeit des „Menschen der Sünde“
dürfen wir die Ankunft unseres Herrn erwarten. Der
„Mensch der Sünde“, auch das „Geheimnis der Bosheit“, „das Kind des
Verderbens“ und der „Boshafte“ genannt, stellt das Papsttum dar, welches,
wie in der Weissagung vorhergesagt, seine Oberherrschaft 1260 Jahre lang
innehaben sollte. Diese Zeit endete im Jahre 1798. Das Kommen Christi konnte
nicht vor jener Zeit stattfinden. Die Warnung Pauls erstreckt sich über die
lange christliche Bundeszeit hinunter bis zum Jahr 1798. Erst nach diesem Jahr
sollte die Botschaft von der Wiederkunft Christi verkündigt werden. Eine
solche Botschaft wurde in den vergangenen Zeiten nie gepredigt. Paulus verkündigte
sie, wie wir gesehen haben, nicht; er verwies seine Brüder für das Kommen des
Herrn in die damals weit entfernte Zukunft. Die Reformatoren verkündigten sie
nicht. Martin Luther erwartete das Gericht ungefähr 300 Jahre nach seiner
eigenen Zeit. Aber seit dem Jahre 1798 ist das Buch Daniel entsiegelt worden, das
Verständnis der Weissagungen hat
zugenommen, und viele haben die feierliche Botschaft von dem nahen Gericht verkündigt. Wie die große Reformation im 16. Jahrhundert, so tauchte die Adventbewegung
gleichzeitig in verschiedenen Ländern der Christenheit auf.
Sowohl in Europa als auch in Amerika wurden Männer des Glaubens und
Gebets zum Studium der Weissagungen geführt, und indem sie die inspirierten
Berichte verfolgten, fanden sie überzeugende Beweise, daß das Ende aller Dinge
nahe war. In verschiedenen Ländern entstanden vereinzelte Gruppen von Christen,
welche allein durch das Studium der Heiligen Schrift zu dem Glauben gelangten,
daß die Ankunft des Heilandes nahe sei. Im Jahre 1821, drei Jahre nach dem Miller das Verständnis der Weissagungen,
welche auf die Zeit des Gerichts hinwiesen, erlangt hatte, begann Dr. Joseph
Wolff, „der Missionar für die ganze Welt“, das baldige Kommen des Herrn zu
verkündigen. Wolff war
aus Deutschland gebürtig und von Hebräischer Abkunft; sein Vater war Rabbiner.
Schon sehr früh wurde er von der Wahrheit der christlichen Religion überzeugt.
Von tätigem und forschendem Verstand, hatte er aufmerksam den im elterlichen
Hause stattfindenden Gesprächen gelauscht, wenn fromme Hebräer sich täglich
dort einfanden, um ihre Hoffnungen und die Erwartungen ihres Volkes, die
Herrlichkeit des kommenden Messias und die Wiederaufrichtung Israels zu
besprechen. Als er eines Tages den Namen Jesus von Nazareth hörte, fragte der
Knabe, wer das sei. Die Antwort lautete: „Ein höchst begabter Jude; weil er
aber vorgab, der Messias zu sein, verurteilte ihn das jüdische Gericht zum Tode.“
„Warum denn,“ fuhr der Fragesteller fort, „ist Jerusalem zerstört? und
warum sind wir in Gefangenschaft?“ -„Ach ach,“ antwortete der Vater, „weil
die Juden die Propheten umbrachten.“ Dem Kinde kam sofort der Gedanke: „Vielleicht
war auch Jesus von Nazareth ein Prophet, und die Juden haben ihn getötet,
obgleich er unschuldig war.“ (Reiseerfahrungen von J. Wolff, 1. Bd., S. 6 f.)
So stark war dies Gefühl, daß, obgleich es ihm untersagt war, eine christliche
Kirche zu betreten, er doch oft von außen stehen blieb, um der Predigt zuzuhören. Als er erst sieben Jahre alt war, prahlte er einem betagten christlichen
Nachbar gegenüber von dem zukünftigen Triumph Israels beim Kommen des Messias,
worauf der alte Mann freundlich sagte: „Lieber Junge, ich will dir sagen, wer
der wirkliche Messias ist: Es ist Jesus von Nazareth,... den deine Vorfahren
kreuzigten, wie sie vor alters die Propheten umbrachten. Geh heim und lies das
53. Kapitel des Jesaja, und du wirst überzeugt werden, daß Jesus Christus der
Sohn Gottes ist.“ (s. vorige Anm.) Sofort bemächtigte sich seiner die Überzeugung, daß dem so sei. Er ging
heim und las den betreffenden Abschnitt, wobei er sich verwunderte, zu sehen,
wie vollkommen er in Jesu von Nazareth erfüllt worden war. Konnten die Worte
des Christen wahr sein? Der Knabe bat seinen Vater um eine Erklärung der
Weissagung; dieser aber trat ihm mit einem so finsteren Schweigen entgegen, daß
er es nie wieder wagte, jenen Gegenstand zu erwähnen. Immerhin verstärkte sich
hierdurch sein Verlangen, mehr von der christlichen Religion zu erfahren. Die
Erkenntnis, welche er suchte, wurde in seinem jüdischen Familienkreis sorgfältig
von ihm ferngehalten; aber als er elf Jahre alt war, verließ er sein Vaterhaus,
um in die Welt hinauszugehen, sich eine Ausbildung zu verschaffen und sich seine
Religion und seinen Beruf zu wählen. Er fand eine Zeitlang Unterkunft bei
Verwandten, wurde aber bald als Abtrünniger von ihnen vertrieben und mußte
allein und mittellos sich seinen Weg unter Fremden bahnen. Er zog von Ort zu
Ort, studierte zu gleicher Zeit fleißig und unterhielt sich, indem er
Unterricht im Hebräischen erteilte. Durch den Einfluß eines katholischen
Lehrers wurde er bewogen, den päpstlichen Glauben anzunehmen und faßte den
Entschluß, Missionar unter seinem eigenen Volk zu werden. In dieser Absicht
besuchte er wenige Jahre später die Lehranstalt der Propaganda zu Rom, um
daselbst seine Studien fortzusetzen. Hier trug ihm seine Gewohnheit, unabhängig
zu denken und offen zu reden, den Vorwurf der Ketzerei ein. Er griff offen die
Mißbräuche der Kirche an und drang auf die Notwendigkeit einer Umgestaltung.
Obgleich er zuerst von den päpstlichen Würdenträgern mit besonderen
Gunstbezeigungen behandelt worden war, mußte er doch nach einiger Zeit Rom
verlassen. Unter der Aufsicht der Kirche ging er von Ort zu Ort, bis man sich überzeugt
hatte, daß er nie dahin gebracht werden könnte, sich dem Joch des Romanismus
zu unterwerfen. Er wurde als unverbesserlich erklärt und man ließ ihn gehen,
wohin er wollte. Er schlug nun den Weg nach England ein und trat, indem er den
protestantischen Glauben annahm, der Landeskirche bei. Nach einem Studium von
zwei Jahren trat er im Jahre 1821 seine Mission an. Während Wolff die große Wahrheit von der ersten Ankunft Christi als „des
Allerverachtetsten und Unwertesten, voller Schmerzen und Krankheit“ annahm,
sah er, daß sie Weissagungen mit gleicher Deutlichkeit über sein zweites
Kommen in Macht und Herrlichkeit vor Augen führten. Und während er sein Volk
zu Jesu von Nazareth als den Verheißenen führen und sein Erscheinen in
Niedrigkeit als ein Opfer für die Sünden der Menschen zeigen wollte, wies er
sie gleichzeitig auf sein zweites Kommen als König und Befreier hin. Er sagte: „Jesus von Nazareth, der wahre Messias, dessen Hände und Füße durchbohrt wurden, der wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde, der ein Mann der Schmerzen und mit Leiden bekannt war, der zum erstenmal kam, nachdem das Zepter von Juda und der Herrscherstab von seinen Füßen gewichen war, wird zum zweiten male kommen in den Wolken des Himmels mit der Posaune des Erzengels“ (Wolff, Forschungen und Missionswirken, S. 62) „und auf dem Ölberge stehen; und jene Herrschaft über die Schöpfung, die einst Adam zugewiesen und von ihm verwirkt wurde (l. Mose 1, 26; 3, 17), wird Jesu gegeben werden. Er wird König sein über die ganze Erde. Das Seufzen und Klagen der Schöpfung wird aufhören, und Lob- und Danklieder werden gehört werden. ... Wenn Jesus kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen heiligen Engeln,... werden die toten Gläubigen zuerst auferstehen. (l. Thess. 4, 16; 1. Kor. 15, 23.) Dies nennen wir Christen die erste Auferstehung. Dann wird die Tierwelt ihren Charakter ändern (Jes. 11, 6-9) und wird Jesu untertan werden. Psalm 8. Allgemeiner Friede wird herrschen. “ (Wolffs Tagebuch, S. 378. 379.) „Der Herr wird wiederum auf die Erde nieder schauen und sagen: Siehe, es ist sehr gut.“ (Ebd., S. 294.) Wolff
glaubte, daß das Kommen des Herrn nahe sei. Seine Auslegung der prophetischen
Zeitperioden wich nur um wenige Jahre von der Zeit ab, da Miller die große
Vollendung erwartete. Denen, welche auf Grund der Stelle: „Von dem Tage aber
und von der Stunde weiß niemand,“ geltend zu machen suchten, daß die
Menschen hinsichtlich der Nähe der Wiederkunft Christi nichts wissen sollten,
antwortete Wolff: „Sagte unser Herr, daß der Tag und die Stunden nie
bekannt werden sollten? Hat er uns nicht Zeichen der Zeit gegeben, auf daß wir
wenigstens das Herannahen seines
Kommens wissen möchten, wie man an dem Feigenbaum, wenn er Blätter treibt, weiß,
daß der Sommer nahe ist? Matth. 24, 32. Sollen
wir jene Zeit nie kennen, obgleich er selbst uns ermahnt, den Propheten Daniel
nicht nur zu lesen, sondern auch zu verstehen? Gerade in Daniel heißt es,
daß diese Worte bis auf die Zeit des Endes verborgen bleiben sollten (was zu
seiner Zeit der Fall war), und daß ’viele darüber kommen’ würden (ein
Hebräischer Ausdruck für betrachten und nachdenken über die Zeit), und ’großen
Verstand’ hinsichtlich der Zeit finden. Dan. 12, 4. Überdies will unser Herr
damit nicht sagen, daß das Herannahen der Zeit nicht bekannt sein soll, sondern
von dem bestimmten Tage und der Stunde
weiß niemand. Er sagt, es soll genug durch die Zeichen der Zeit bekannt werden,
um uns anzutreiben, uns auf seine Wiederkunft vorzubereiten, gleichwie Noah die
Arche herstellte.“ (Forschen und Missionswirken, S. 404. 405.) Hinsichtlich der volkstümlichen Auslegung oder Verdrehung der Heiligen
Schrift schrieb Wolff: „Der größere Teil der christlichen Kirche ist von dem
deutlichen Sinne der Heiligen Schrift abgewichen und hat sich der buddhistischen
Lehre von Trugbildern zugewandt, welche vorgibt, daß das zukünftige Glück der
Menschen in einem Hin- und Herschweben in der Luft bestehe; sie nehmen an, daß
wenn sie lesen Juden, sie Heiden darunter verstehen müssen; und
wenn sie lesen Jerusalem, die Kirche gemeint sei; und wenn es heißt Erde,
es Himmel, bedeute; und daß sie unter dem Kommen des Herrn den
Fortschritt der Missionsgesellschaften verstehen müssen; und daß auf den Berg
des Hauses Gottes gehen, eine große Versammlung der Methodisten bedeute.“ (Tagebuch,
S.96.) Während der 24 Jahre von 1821 bis 1845 reiste Wolff weit umher; in Afrika besuchte er Ägypten und Abessinien; in Asien durchreiste er Palästina, Syrien, Persien, Buchara und Indien. Auch besuchte er die Vereinigten Staaten, nachdem er auf der Hinreise auf der Insel St. Helena gepredigt hatte. Im August des Jahres 1837 kam er in New York an; und nachdem er in jener Stadt gesprochen, predigte er in Philadelphia und Baltimore und ging schließlich nach Washington. „Hier wurde mir”, sagt er, „auf Vorschlag des Ex-Präsidenten John Quincy Adams in einem der Häuser des Kongresses einstimmig die Benützung des Kongreßsaales zum Zweck eines Vortrages zur Verfügung gestellt, den ich an einem Samstag, beehrt durch die Gegenwart sämtlicher Mitglieder des Kongresses, des Bischofs von Virginien sowie der Geistlichkeit und der Bürger von Washington hielt. Die nämliche Ehre wurde mir seitens der Regierungsmitglieder von New Jersey und Pennsylvanien zuteil, in deren Gegenwart ich Vorlesungen hielt über meine Forschungen in Asien, desgleichen über die persönliche, Regierung Jesu Christi.“ (Ebd., S. 398. 399.) Dr. Wolff bereiste die unzivilisierten Länder ohne den Schutz irgendeiner europäischen Regierung; er erduldete viele Mühsale und war von zahllosen Gefahren umgeben. Er bekam Stockschläge auf die Fußsohlen, mußte hungern, wurde als Sklave verkauft und dreimal zum Tode verurteilt. Er wurde von Räubern angefallen und kam zuweilen beinahe vor Durst um. Einmal wurde er aller seiner Habe beraubt und mußte zu Fuß Hunderte von Meilen durch die Berge wandern, während der Schnee ihm ins Gesicht schlug und seine nackten Füße durch die Berührung mit dem gefrorenen Boden erstarrten. Warnte man ihn davor, unbewaffnet unter wilde und feindselige Stämme zu
gehen, so erklärte er, daß er mit Waffen - Gebet, Eifer für Christum und
Vertrauen in seine Hilfe - versehen sei. „Ich habe auch“, sagte er, „die
Liebe zu Gott und meinem Nächsten im Herzen, und die Bibel in meiner Hand.“
(Adams, Oft in Gefahren, S. 192 f.) Eine Hebräische und eine Englische Bibel führte
er bei sich, wohin er auch ging. Von einer späteren Reise sagt er: „Ich...
hielt die Bibel offen in meiner Hand. Ich fühlte, daß meine Kraft in dem Buche
war, und daß seine Macht mich erhalten würde.“
(Ebd., S. 192f.) Auf
diese Weise harrte er in seiner Arbeit aus, bis die Botschaft des Gerichts über
einen großen Teil des bewohnten Erdballs gegangen war. Unter Juden, Türken,
Parsen, Hindus und vielen anderen Nationalitäten und Stämmen teilte er das
Wort Gottes in den verschiedenen Sprachen aus und verkündigte überall die
kommende Herrschaft des Messias. Auf
seinen Reisen in Buchara fand er die Lehre von der baldigen Wiederkunft des
Herrn bei einem entlegenen und abgesonderten Volksstamm. Er sagt: „Die Araber
des Jemen sind im Besitze eines Buches, ’Seera’ genannt, welches Kunde von
dem zweiten Kommen Christi und seiner Regierung in Herrlichkeit gibt, und sie
erwarten, daß im Jahre 1840 große Ereignisse stattfinden werden. (Tagebuch, S.
377.) In Jemen... verbrachte ich sechs Tage mit den Rechabiten. Sie trinken
keinen Wein, pflanzen keine Weinberge, säen keine Saat, wohnen in Zelten und
sind der Worte Jonadabs, des Sohnes Rechabs, eingedenk. Es befanden sich auch
Israeliten aus dem Stamm Dan bei ihnen,... welche gemeinsam mit den Kindern
Rechabs die baldige Ankunft des Messias in den Wolken des Himmels erwarten.“ (Ebd.,
S. 389 .) Ein
ähnlicher Glaube wurde von einem anderen Missionar in der Tatarei gefunden. Ein
tatarischer Priester stellte an einen Missionar die Frage, wann denn Christus
zum andernmal kommen würde. Als der Missionar antwortete, daß er nichts davon
wisse, schien der Priester sehr überrascht zu sein ob solcher Unwissenheit bei
einem, der vorgab, ein Lehrer der Bibel zu sein, und erklärte seinen eigenen
auf die Weissagung gegründeten Glauben, daß Christus ungefähr im Jahre 1844
kommen würde. In England fing man schon im Jahre 1826 an, die Adventbotschaft zu predigen.
Die Bewegung nahm hier keine so bestimmte Form an wie in Amerika; die genaue
Zeit der Wiederkunft Christi wurde nicht so allgemein gelehrt, aber die große
Wahrheit von dem baldigen Kommen Christi in Macht und Herrlichkeit wurde in
ausgedehnter Weise verkündigt; und dies nicht nur unter den Dissentern und
Nonkonformisten. Mourant
Brock, ein englischer Schriftsteller, gibt an, daß ungefähr 700 Prediger der
anglikanischen Kirche sich mit der Verkündigung dieses „Evangeliums vom
Reich“ befaßten. Die Botschaft, welche auf das Jahr 1844 als die Zeit seines
Kommens hinwies, wurde auch in Großbritannien verkündigt. Druckschriften über
die Adventbewegung wurden von den Ver. Staaten aus weit und breit hin versandt.
Bücher und Zeitschriften wurden in England wieder herausgegeben, und im Jahre
1842 kehrte Robert Winter, ein geborener Engländer, der den Adventglauben in
Amerika angenommen hatte, in sein Heimatland zurück, um das Kommen des Herrn zu
verkündigen. Viele vereinten sich mit ihm in diesem Werk, und die Botschaft von
dem Gericht wurde in verschiedenen Teilen Englands bekanntgemacht. In Südamerika fand Lacunza, ein Spanier und Jesuit, inmitten roher
Unwissenheit und Priestertrug seinen Weg zu der Heiligen Schrift und erkannte
die Wahrheit von der baldigen Wiederkunft Christi. Innerlich gedrungen, die
Warnung zu erteilen, und doch darauf bedacht, den Kirchenstrafen Roms zu
entrinnen, veröffentlichte er seine Ansichten unter dem angenommenen Namen
„Rabbi Ben-Israel“, indem er sich für einen bekehrten Juden ausgab. Lacunza
lebte im 18. Jahrhundert; sein Buch, welches seinen Weg nach London gefunden
hatte, wurde ungefähr im Jahre 1825 in die englische Sprache übersetzt. Seine
Herausgabe diente dazu, die in England erweckte Aufmerksamkeit betreffs des
zweiten Kommens Christi zu vermehren. In Deutschland war diese Lehre im 18. Jahrhundert von Bengel, einem Prälaten
der lutherischen Kirche und berühmten Bibelgelehrten und Kritiker, gepredigt
worden. Nach Vollendung
seiner Schulbildung hatte Bengel „sich dem Studium der Theologie gewidmet,
wozu ihn sein tiefernstes und frommes Gemüt, durch seine frühe Bildung und
Zucht erweitert und verstärkt, von Natur hinzog. Wie andere denkende junge Männer
vor und nach ihm, hatte er mit religiösen Zweifeln und Schwierigkeiten zu kämpfen,
und mit tiefem Gefühl spricht er von den ’vielen Pfeilen, welche sein armes
Herz durchbohrten und seine Jugend zu einer schwer erträglichen machten.’“
(Encycl. Brit., Art. Bengel.) Als er ein Mitglied des Konsistoriums von Württemberg
wurde, trat er für die Sache der Religionsfreiheit ein, „und indem er alle
Rechte und Vorrechte der Kirche aufrecht hielt, befürwortete er, jede billige
Freiheit denen zu gewähren, die sich aus Gewissensgründen gebunden fühlten,
sich von ihrer Gemeinschaft zurückzuziehen.“ (Ebd.) Die guten Wirkungen
dieses Verfahrens werden in seinem Heimatland noch immer verspürt. Während
Bengel sich für den Adventsonntag auf eine Predigt über Offenbarung 21
vorbereitete, ging ihm plötzlich das Licht über das zweite Kommen Christi auf.
Die Weissagungen der Offenbarung erschlossen sich seinem Verständnis wie nie
zuvor. Ein Bewußtsein der wunderbaren Wichtigkeit und unübertrefflichen
Herrlichkeit der von dem Propheten angeführten Ereignisse überwältigten ihn
derart, daß er gezwungen war, sich eine Zeitlang von der Betrachtung des
Gegenstandes abzuwenden. Auf der Kanzel jedoch stand er wiederum in aller
Lebhaftigkeit und Kraft vor ihm. Von der Zeit an widmete er sich dem Studium der
Weissagungen, besonders derjenigen der Offenbarung, und gelangte bald zu dem
Glauben, daß sie auf das Kommen Christi als nahe bevorstehend hinwiesen. Das
Datum, welches er als die Zeit der Wiederkunft Christi festsetzte, wich nur
wenige Jahre von dem nachher von Miller angenommenen ab. Bengels Schriften sind in der ganzen Christenheit verbreitet worden. In seinem eigenen Staate, Württemberg, und bis zu einem gewissen Grade auch in anderen Teilen Deutschlands, nahm man seine Ansichten über die Weissagung ziemlich allgemein an. (Siehe Anhang, Anm. 31.) Die Bewegung dauerte nach seinem Tode fort, und die Adventbotschaft wurde in Deutschland zu derselben Zeit vernommen, zu der sie in anderen Ländern die Aufmerksamkeit auf sich zog. Schon frühe gingen einige Gläubige nach Rußland und bildeten dort Kolonien, und der Glaube an das baldige Kommen Christi wird in den deutschen Gemeinden jenes Landes noch immer bewahrt. In Frankreich und der Schweiz schien ebenfalls das Licht. Zu Genf, wo Farel
und Kalvin die Wahrheiten der Reformation ausgebreitet hatten, predigte Gaußen
die Botschaft von dem zweiten Kommen Christi. Während
er auf der Universität studierte, sog er jenen Geist des Rationalismus ein,
welcher in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts ganz Europa durchdrang, und
als er ins Predigtamt eintrat, war er nicht allein des wahren Glaubens unkundig,
sondern sogar zur Zweifelsucht geneigt. In seiner Jugend hatte er sich für das
Studium der Weissagung begeistert. Als er
Rollins „Alte Geschichte“ las, wurde seine Aufmerksamkeit auf das zweite
Kapitel Daniels gerichtet, und er staunte über die wunderbare Genauigkeit, mit
welcher die Weissagung sich erfüllt hatte, wie aus dem Bericht des
Geschichtsschreibers ersichtlich war. Hier war ein Zeugnis für die göttliche
Eingebung der Heiligen Schrift, welches ihm inmitten der Gefahren späterer
Jahre als Anker diente. Ihn befriedigten nicht mehr die Lehren des Rationalismus,
und durch das Forschen in der Bibel und das Suchen nach hellerem Licht erlangte
er nach einiger Zeit festen Glauben. Als er seine Untersuchungen der Weissagungen weiter verfolgte, kam er zu der Überzeugung, daß das Kommen des Herrn nahe bevorstehe. Unter dem Eindruck der Feierlichkeit und Wichtigkeit dieser großen Wahrheit wünschte er sie vor das Volk zu bringen, aber der volkstümliche Glaube, daß die Weissagungen Daniels Geheimnisse seien und nicht verstanden werden könnten, wurde für ihn ein schweres Hindernis. Endlich entschloß er sich - wie vor ihm Farel getan hatte, als er Genf das Evangelium brachte -, mit den Kindern zu beginnen, durch die er die Eltern anzuziehen hoffte. Indem
er später von seiner Absicht bei diesem Unternehmen redete, sagte er: „Ich möchte
dies verstanden wissen, daß es nicht wegen der geringen Bedeutung, sondern im
Gegenteil des hohen Wertes wegen ist, daß ich diese Sache in dieser
vertraulichen Form darzustellen wünschte und mich damit an die Kinder richtete.
Ich wollte gehört werden und befürchtete, keine Aufmerksamkeit zu erzielen,
falls ich mich an die Erwachsenen wenden würde.“ „Ich beschloß deshalb zu
den Jüngsten zu gehen. Ich versammelte eine Zuhörerschaft von Kindern. Wenn
die Zahl sich vermehrt, wenn man sieht, daß sie zuhören, Gefallen daran finden,
angezogen werden, daß sie den Gegenstand verstehen und erklären können, dann
werde ich sicherlich bald einen zweiten Kreis von Zuhörern haben, und die
Erwachsenen ihrerseits werden sehen, daß es sich der Mühe lohnt, sich
hinzusetzen und zu studieren. Kommt es dazu, dann ist die Sache gewonnen. “ (Gaußen,
Prophet Daniel, 2. Bd., Vorwort.) Die
Bemühungen waren erfolgreich. Während Gaußen sich an die Kinder wandte, kamen
ältere Leute, um zuzuhören. Die Galerien seiner Kirche füllten sich mit
aufmerksamen Zuhörern. Unter ihnen waren Männer von Rang und Gelehrsamkeit
sowie Ausländer und Fremde, die Genf besuchten, und durch sie wurde die
Botschaft in andere Gegenden getragen. Ermutigt
durch diesen Erfolg, veröffentlichte Gaußen seine Unterweisungen in der
Hoffnung, das Studium der prophetischen Bücher in den Gemeinden des französisch
redenden Volkes zu fördern. Er sagt: „Durch die Veröffentlichung des den
Kindern erteilten Unterrichts sagen wir zu den Erwachsenen, die oft solche Bücher
vernachlässigen unter dem falschen Vorwand, daß sie unverständlich seien: Wie
können sie unverständlich sein, da eure Kinder sie verstehen? ... Ich hatte
ein großes Verlangen,“ fügte er hinzu, „eine Kenntnis der Weissagungen bei
unseren Gemeinden womöglich allgemein zu machen.“ „Es gibt in der Tat kein
Studium, welches, wie mir scheint, den Bedürfnissen der Zeit besser entspräche.
“ „Hierdurch müssen.wir uns vorbereiten auf die nahestehende Trübsal und
warten auf Jesum Christum. “ Wenngleich
Gaußen einer der hervorragendsten und beliebtesten Prediger in der französischen
Sprache war, wurde er doch nach einiger Zeit seines Amtes enthoben, hauptsächlich
weil er statt des Kirchenkatechismus, eines faden und rationalistischen
Lehrbuches, das fast allen positiven Glaubens bar war, beim Jugendunterricht die
Bibel gebraucht hatte. Später wurde er Lehrer an einer theologischen Schule und
setzte am Sonntage sein Werk mit den Kindern fort und unterwies sie in der
Heiligen Schrift. Seine Werke über die Weissagungen erregten großes Aufsehen.
Vom Lehrstuhl, durch die Presse und in seiner Lieblingsbeschäftigung als Lehrer
der Kinder konnte er viele Jahre lang einen ausgedehnten Einfluß ausüben und
war das Werkzeug, die Aufmerksamkeit vieler auf das Studium der Weissagungen zu
richten, welche zeigten, daß das Kommen des Herrn nahe sei. Auch in Skandinavien wurde die Adventbotschaft verkündigt und eine
weitverbreitete Aufmerksamkeit angefacht. Viele wurden aus ihrer sorglosen
Sicherheit aufgerüttelt, um ihre Sünden zu bekennen und zu verlassen und im
Namen Christi Vergebung zu suchen. Aber die Geistlichkeit der Staatskirche
widersetzte sich der Bewegung, und durch ihren Einfluß wurden etliche, welche
die Botschaft predigten, in das Gefängnis geworfen. An vielen Orten, wo die
Verkündiger des baldigen Kommens Christi auf solche Weise zum Schweigen
gebracht worden waren, gefiel es Gott, die Botschaft in wunderbarer Weise durch
kleine Kinder bekannt zumachen. Da sie noch minderjährig waren, konnte das Staatsgesetz sie nicht hindern,
und sie durften unbelästigt reden. Die
Bewegung machte sich besonders unter den niederen Ständen geltend; in den
bescheidenen Wohnungen der Arbeiter versammelte sich das Volk, um die Warnung zu
vernehmen. Die Kinderprediger selbst waren meist arme Hüttenbewohner. Etliche
waren nicht mehr als sechs bis acht Jahre alt, und während ihr Leben bezeugte,
daß sie den Heiland liebten und sie sich bemühten, den heiligen Vorschriften
Gottes gehorsam zu sein, legten sie im allgemeinen nur den gewöhnlich bei
Kindern ihres Alters bekundeten Verstand und nicht mehr als gewöhnliche Fähigkeiten
an den Tag. Standen sie aber vor den
Leuten, dann ward es offenbar, daß sie von einem über ihre natürlichen Gaben
hinausgehenden Einfluß bewegt wurden. Ihre Stimme, ihr ganzes Wesen veränderten
sich, und mit feierlicher Macht verkündigten sie die Botschaft des Gerichts,
sich genau der Worte der Heiligen Schrift bedienend: „Fürchtet Gott und gebet
ihm die Ehre; denn die Zeit seines Gerichts ist gekommen.“ (Offb. 14, 7.)
Sie rügten die Sünden des Volkes, verurteilten nicht nur Unsittlichkeit und
Laster, sondern tadelten auch Weltlichkeit und Abtrünnigkeit und ermahnten ihre
Zuhörer, sich eilend aufzumachen, um dem zukünftigen Zorn zu entrinnen. Die
Leute lauschten mit Zittern. Der überzeugende Geist Gottes sprach zu ihren
Herzen. Viele wurden veranlaßt, die Heilige Schrift mit neuem und tieferem
Eifer zu erforschen. Die Unmäßigen und Unsittlichen begannen einen neuen
Lebenswandel; andere gaben ihre unehrlichen Gewohnheiten auf, und ein so auffälliges
Werk wurde vollbracht, daß selbst die Prediger der Staatskirche gestehen mußten,
die Hand Gottes sei in der Bewegung. Es war Gottes Wille, daß die Kunde von dem Kommen des Heilandes in den
skandinavischen Ländern verbreitet werden sollte, und als die Stimmen seiner
Diener zum Schweigen gebracht worden waren, legte er seinen Geist auf die
Kinder, auf daß das Werk vollbracht werde.
Als Jesus, begleitet von der frohen Menge, welche ihn unter Frohlocken und dem
Wehen von Palmzweigen als den Sohn Davids ausrief, sich Jerusalem näherte,
forderten die eifersüchtigen Pharisäer ihn auf, dem Volk Schweigen zu
gebieten; aber Jesus antwortet ihnen, daß all dies die Erfüllung der
Weissagung sei, und falls diese schweigen, sogar die Steine reden würden. Das
durch die Drohungen der Priester und Obersten eingeschüchterte Volk hielt in
seiner freudigen Verkündigung inne, als es durch die Tore von Jerusalem zog;
aber die Kinder im Tempelhof nahmen den Ruf auf und sangen, ihre Palmzweige
schwingend: „Hosianna dem Sohn David!“ Als die Priester in ärgerlichem Mißfallen
zu ihm sagten: „Hörst du auch, was diese sagen?“, antwortete Jesus: „Ja!
Habt ihr nie gelesen: Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du Lob
zugerichtet?“ (Matth. 21, 8-16.) Wie Gott zur Zeit Christi durch Kinder
wirkte, so benutzte er sie auch bei der Ankündigung seines zweiten Kommens.
Gottes Wort muß erfüllt werden, daß die Verkündigung von dem Kommen des
Heilandes an alle Völker, Sprachen und Zungen ergehen sollte. William Miller und seinen
Mitarbeitern war die Aufgabe zuteil geworden, die Warnung in Amerika zu
predigen. Dies Land wurde der Mittelpunkt der großen Adventbewegung. Hier hatte
die Weissagung von der
ersten Engelsbotschaft ihre unmittelbarste Erfüllung. Die Schriften Millers und
seiner Genossen wurden bis in entfernte Länder getragen. Überall, wohin die
Missionare gedrungen waren, wurde auch die frohe Kunde von der baldigen
Wiederkunft Christi hin gesandt. Weit und breit erstreckte sich die Botschaft
des ewigen Evangeliums: „Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre; denn die
Stunde seines Gerichts ist gekommen.“ Das Zeugnis der Weissagungen, welches auf das Kommen Christi im Frühling des Jahres 1844 zu deuten schien, faßte tiefe Wurzel in den Gemütern des Volkes. Als die Botschaft von Staat zu Staat ging, wurde überall ein weitgehendes Aufsehen erregt. Viele wurden überzeugt, daß die auf den prophetischen Zeitrechnungen beruhenden Beweise richtig waren, und nahmen, indem sie ihren Meinungsstolz fahren ließen, die Wahrheit freudig an. Einige Prediger entsagten ihren sektiererischen Ansichten und Gefühlen, gaben ihre Besoldung und ihre Gemeinde auf und schlossen sich der Verkündigung der Wiederkunft Jesu an. Verhältnismäßig waren es jedoch nur wenige Prediger, welche diese Botschaft annahmen; deshalb wurde sie meistenteils bescheidenen Laien anvertraut. Landleute verließen ihre Felder, Handwerker ihre Werkstätten, Händler ihre Waren, Männer von Beruf ihre Stellung; und doch war die Zahl der Arbeiter im Verhältnis zu dem zu vollbringenden Werk gering. Der Zustand einer gottlosen Kirche und einer in Bosheit liegenden Welt drückte die Seelen der treuen Wächter, und willig ertrugen sie Mühsale, Entbehrung und Leiden, damit sie Menschen zur Buße und zum Heil rufen möchten. Obwohl Satan ihnen widerstand, ging doch das Werk beständig vorwärts und die Adventwahrheit wurde von vielen Tausenden angenommen. Überall
wurde das herzergründende Zeugnis gehört, das Sünder, sowohl Weltmenschen als
Gemeindeglieder, warnte, dem zukünftigen Zorn zu entfliehen. Wie Johannes der Täufer,
der Vorläufer Christi, legten die Prediger die Axt dem Baum an die Wurzel und nötigten
alle, rechtschaffene Früchte der Buße zu bringen. Ihre ergreifenden Aufrufe
standen in auffallendem Gegensatz zu den Versicherungen des Friedens und der
Sicherheit, welche von volkstümlichen Kanzeln herab gehört wurden, und wo die
Botschaft ertönte, bewegte sie das Volk. Das einfache direkte Zeugnis der
Heiligen Schrift, den Menschen durch die Macht des Heiligen Geistes ans Herz
gelegt, brachte eine gewichtige Überzeugung, der nur wenige völlig widerstehen
konnten. Bekenntliche Christen wurden aus ihrer falschen Sicherheit
aufgeschreckt und erkannten ihre Abtrünnigkeit, ihre Weltlichkeit und ihren
Unglauben, ihren Stolz und ihre Selbstsucht. Viele suchten den Herrn mit Reue
und Demütigung. Neigungen, welche so lange auf irdische Dinge gerichtet waren,
wandten sich jetzt dem Himmel zu. Gottes
Geist ruhte auf ihnen, und mit weichen und gedemütigten Herzen stimmten sie ein
in den Ruf: „Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre, denn die Zeit seines
Gerichts ist gekommen.“ (Offb. 14, 7.) Sünder fragten weinend: „Was soll ich tun, daß ich selig werde?“ Wer
einen unehrlichen Wandel geführt hatte, war besorgt, sein Unrecht gutzumachen.
Alle, die in Christo Frieden fanden, sehnten sich danach, auch andere der
Segnungen teilhaftig werden zu sehen. Die Herzen der Eltern wandten sich zu ihren Kindern, und die Herzen der
Kinder zu ihren Eltern. Die Schranken des Stolzes und der Zurückhaltung wurden
beseitigt. Tief empfundene Bekenntnisse wurden abgelegt, und die Glieder eines
Haushaltes arbeiteten für das Heil jener, welche ihnen am nächsten und
teuersten waren. Oft hörte man ernste Fürbitten. Überall beteten Seelen in
tiefer Angst zu Gott. Viele rangen die ganze Nacht im Gebet um die Gewißheit,
daß ihre Sünden vergeben seien, oder um die Bekehrung ihrer Verwandten oder
Nachbarn. Alle
Klassen strömten zu den Versammlungen der Adventisten. Reich und arm, hoch und
niedrig wollten selbst aus verschiedenen Gründen die Lehre von der Wiederkunft
Christi vernehmen. Der Herr hielt den Geist des Widerstandes im Zaum, während
seine Diener die Gründe ihres Glaubens darlegten. Oft war das Werkzeug schwach,
aber der Geist Gottes gab seiner Wahrheit Macht. Die Gegenwart heiliger Engel
bekundete sich in diesen Versammlungen, und viele wurden täglich zu den Gläubigen
hinzugetan. Wenn die Beweise für die baldige Ankunft Christi wiederholt wurden,
lauschten große Mengen in atemlosem Schweigen den feierlichen Worten. Himmel
und Erde schienen sich einander zu nähern. Die Macht Gottes wurde von jung und
alt und denen mittleren Alters verspürt. Männer suchten ihre Wohnungen auf mit
Lobpreisungen Gottes auf ihren Lippen, und der fröhliche Klang ertönte durch
die stille Nachtluft. Niemand, der jenen Versammlungen beiwohnte, kann jene
bedeutungsvollen Vorgänge je vergessen. Die Verkündigung einer bestimmten Zeit für das Kommen Christi rief seitens
vieler aus allen Klassen großen Widerstand hervor, von den Predigern auf der
Kanzel an bis zum verwegensten, dem Himmel trotzenden Sünder. Die Worte der
Weissagung gingen in Erfüllung: „Und wisset das aufs erste, daß in den
letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und
sagen: Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter
entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Kreatur gewesen ist.“
(2. Petr. 3, 3. 4.) Viele, die vorgaben, ihren Heiland zu lieben, erklärten, daß
sie keine Einwände gegen die Lehre von seinem zweiten Kommen zu machen hätten;
sie seien nur gegen die bestimmte Zeit. Gottes Auge las jedoch, was in ihren
Herzen war. Sie wünschten nichts davon zu hören, daß Christus kommen werde,
um die Welt mit Gerechtigkeit zu richten. Sie waren ungetreue Diener gewesen,
ihre Werke konnten die Prüfung Gottes, der die Herzen ergründet, nicht
ertragen, und sie fürchteten sich, ihrem Herrn zu begegnen. Gleich den
Juden zur Zeit Christi waren sie nicht vorbereitet, Jesum zu begrüßen. Sie
weigerten sich nicht nur, die deutlichen Beweise aus der Schrift zu hören,
sondern verlachten auch die, welche auf den Herrn warteten. Satan und seine
Engel frohlockten und schleuderten Schmähungen in das Angesicht Christi und der
heiligen Engel, daß sein angebliches Volk so wenig Liebe zu ihm habe und sein
Erscheinen nicht wünsche. „Niemand
weiß den Tag oder die Stunde,“ lautete die von den Verwerfern des
Adventglaubens am häufigsten vorgebrachte Beweisführung. Die Bibelstelle heißt:
„Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im
Himmel, sondern allein mein Vater.“ (Matth. 24, 36.) Eine klare und
zutreffende Auslegung dieser Bibelstelle gaben die, welche auf ihren Herrn
warteten, und die verkehrte Anwendung, die ihre Gegner davon machten, zeigte
sich deutlich. Diese Worte wurden von Christo in jener denkwürdigen
Unterhaltung mit seinen Jüngern auf dem Ölberg gesprochen, als er zum letzten
Male aus dem Tempel gegangen war. Die Jünger hatten die Frage gestellt:
„Welches wird das Zeichen sein deiner Zukunft und des Endes der Welt?“ Jesus
gab ihnen gewisse Zeichen und sagte: „Wenn ihr das alles sehet, so wisset, daß
es nahe vor der Tür ist.“ (Matth. 24, 3. 33.) Ein Ausspruch des Heilandes
darf nicht so dargestellt werden, daß er den andern vernichtet. Wenn auch
niemand den Tag und die Stunde seines Kommens weiß, so werden wir doch
unterrichtet, und es wird von uns verlangt zu wissen, wann es nahe ist. Wir
werden ferner gelehrt, daß es für uns ebenso verderblich ist, seine Warnung zu
mißachten und. uns zu weigern oder es zu vernachlässigen, die Zeit seines
Kommens zu wissen, wie es für die, welche in den Tagen Noahs lebten,
verderblich war, nicht zu wissen, wann die Sintflut kommen sollte. Das Gleichnis
in demselben Kapitel, welches den treuen Knecht mit dem ungetreuen vergleicht
und das Urteil dessen anführt, der in seinem Herzen sagte: „Mein Herr kommt
noch lange nicht,“ zeigt, wie Christus, wann er kommt, diejenigen betrachten
und belohnen wird, welche wachen und sein Kommen verkündigen, und die, welche
es in Abrede stellen. „Darum wachet! “ sagt er. „Selig ist der Knecht,
wenn sein Herr kommt, und findet ihn also tun.“ (Matth. 24, 42-5 1.) „So du
nicht wirst wachen, werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und wirst nicht
wissen, welche Stunde ich über dich kommen werde. “ (Offb. 3, 3 .) Paulus
spricht von einer Klasse, der die Erscheinung des Herrn unerwartet kommen wird.
„Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Denn wenn sie werden
sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, - so wird sie das Verderben schnell
überfallen... und werden nicht entfliehen. “ Aber für die, welche die
Warnung des Herrn beachtet haben, fügt er hinzu: „Ihr aber, liebe Brüder,
seid nicht in der Finsternis, daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife. Ihr seid
allzumal Kinder des Lichtes und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht
noch von der Finsternis.“ (l. Thess. 5, 2-5.) Somit war deutlich erwiesen, daß die Bibel den Menschen keinen Vorschub
leistet, um hinsichtlich der Nähe des Kommens Christi in Unwissenheit zu
bleiben. Wer aber eine Entschuldigung suchte, nur um die Wahrheit zu verwerfen,
verschloß dieser Erklärung sein Ohr, und die Worte: „Von dem Tage aber und
von der Stunde weiß niemand,“ wurden von dem kühnen Spötter und sogar von
dem vorgeblichen Knecht Christi beständig wiederholt. Als Leute erweckt wurden
und anfingen nach dem Weg des Heils zu fragen, stellten sich Religionslehrer
zwischen sie und die Wahrheit und versuchten, ihre Befürchtungen mittels
falscher Auslegungen des Wortes Gottes zu beruhigen.
Untreue Wächter verbanden sich mit dem Werk des großen Betrügers und schrien
Friede! Friede!, wenn Gott nicht von Frieden gesprochen hatte. Gleich den Pharisäern
zur Zeit Christi weigerten sich viele, in das Himmelreich einzugehen, und
hinderten die, welche hineingehen wollten. Das Blut dieser Seelen wird von ihrer
Hand gefordert werden. Die Demütigsten und Ergebensten in den Gemeinden waren gewöhnlich die ersten, die Botschaft anzunehmen. Wer die Bibel selbst studierte, mußte unvermeidlich den schriftwidrigen Charakter der volkstümlichen Ansichten über die Weissagungen sehen, und wo das Volk nicht durch den Einfluß der Geistlichkeit geleitet und das Wort Gottes für sich selbst erforscht wurde, brauchte die Adventlehre nur mit der Heiligen Schrift verglichen zu werden, um deren göttliche Autorität zu bestätigen. Viele
wurden von ihren ungläubigen Brüdern verfolgt. Um ihre Stellung in der
Gemeinde zu bewahren, willigten einige ein, bezüglich ihrer Hoffnung in
Stillschweigen zu verharren; andere aber fühlten, daß die Treue zu Gott ihnen
verbiete, die Wahrheiten, welche er ihrer Obhut anvertraut hatte, zu verbergen.
Nicht wenige wurden aus der Kirche ausgeschlossen aus keinem andern Grunde, denn
daß sie ihrem Glauben an die Ankunft Christi Ausdruck gegeben hatten. Köstlich
waren die Worte des Propheten denen, welche die Prüfung ihres Glaubens
bestanden: „Eure Brüder, die euch hassen und sondern euch ab um meines Namens
willen, sprechen: ’Laßt sehen, wie herrlich der Herr sei, laßt ihn
erscheinen zu eurer Freude’; die sollen zu Schanden werden.“ (Jes. 66, 5.) Engel
Gottes überwachten mit größter Teilnahme den Erfolg der Warnung. Als die
Kirchen die Botschaft allgemein verwarfen, wandten sie sich betrübt hinweg.
Aber es gab noch viele Seelen, welche betreffs der Adventwahrheit noch nicht
geprüft waren; viele, die durch Gatten, Weiber, Eltern oder Kinder irregeleitet
worden waren und glaubten, es sei eine Sünde, solche Ketzereien, wie sie von
den Adventisten gelehrt wurden, auch nur anzuhören. Den Engeln wurde befohlen,
über diese Seelen treulich zu wachen; denn es sollte noch ein anderes Licht vom
Throne Gottes auf sie scheinen. Mit unaussprechlichem Verlangen harrten alle, welche die Botschaft
angenommen hatten, der Ankunft ihres Heilandes. Die Zeit, da sie erwarteten, ihm
zu begegnen, war vor der Tür. Sie näherten sich dieser Stunde mit einer
ruhigen Feierlichkeit. Sie verblieben in süßer Gemeinschaft mit Gott - ein
Pfand des Friedens, der in der zukünftigen Herrlichkeit ihnen zuteil werden
sollte. Keiner, der
diese Hoffnung und dies Vertrauen erfuhr, kann jene köstlichen Stunden des
Wartens vergessen. Schon einige Wochen vor der Zeit wurden die weltlichen Geschäfte
von den meisten beiseite gelegt. Die aufrichtigen Gläubigen prüften sorgfältig
jeden Gedanken und jede Empfindung ihres Herzens, als ob sie auf dem Totenbett lägen
und in wenigen Stunden gegen alles Irdische ihre Augen schließen müßten. Da
wurden keine Himmelfahrtskleider (siehe Anhang, Anm. 32) angefertigt, sondern
alle fühlten die Notwendigkeit eines inneren Zeugnisses, daß sie zubereitet
waren, dem Heiland zu begegnen; ihre weißen Kleider waren Reinheit der Seele -
durch das versöhnende Blut Christi gereinigte Charaktere. Hätte doch das Volk
Gottes noch denselben herzerforschenden Geist, denselben ernsten, entschiedenen
Glauben! Hätte es fortgefahren, sich auf diese Weise vor dem Herrn zu demütigen
und seine Bitten zu dem Gnadenthron empor zusenden, so würde es jetzt im Besitz
weit köstlicherer Erfahrungen sein. Es betet zu wenig, wird zu wenig wirklich
überzeugt von der Sünde, und der Mangel an lebendigem Glauben läßt viele
unberührt von der Gnadengabe, die von unserem Erlöser so reichlich vorgesehen
wurde. Gott beabsichtigte sein Volk zu prüfen. Seine Hand bedeckte den in der
Rechnung der prophetischen Zeitperioden gemachten Fehler. Die Adventisten
entdeckten den Irrtum nicht, noch wurde er von den Gelehrtesten ihrer Gegner
entdeckt. Diese sagten:
„Eure Berechnung der prophetischen Perioden ist richtig. Irgendein großes
Ereignis wird stattfinden; aber es ist nicht das zweite Kommen.“ (Siehe
Anhang, Anm. 33.) Die Zeit der Erwartung ging vorüber, und Christus erschien nicht, um sein
Volk zu befreien. Alle, die mit aufrichtigem Glauben und herzlicher Liebe auf
ihren Heiland gewartet hatten, erfuhren eine bittere Enttäuschung. Doch wurde
Gottes Absicht erreicht; er prüfte die Herzen derer, die vorgaben, auf seine
Erscheinung zu warten. Es waren unter ihnen viele, die aus keinem höheren
Beweggrund getrieben worden waren als aus Furcht. Ihr Glaube hatte weder ihre
Herzen noch ihren Lebenswandel beeinflußt. Als das erwartete Ereignis ausblieb,
erklärten diese Leute, daß sie nicht enttäuscht seien; sie hätten nie
geglaubt, daß Christus kommen werde; und sie gehörten zu den ersten, den
Schmerz der wahren Gläubigen zu verspotten. Aber Jesus und die himmlischen Scharen sahen mit Liebe und Teilnahme auf die
geprüften und doch enttäuschten Gläubigen herab. Hätte der Schleier, der die
sichtbare Welt von der unsichtbaren trennt, zurückgeschlagen werden können, so
würde man gesehen haben, wie Engel sich jenen standhaften Seelen näherten und
sie vor den Pfeilen Satans beschützten. |