|
SPÄTERE ENGLISCHE REFORMATOREN 14 Weil William Tyndale die erste englische
Bibel druckte, wurde er von einem Freund verraten. Er starb, damit andere das
Leben kennenlernen können. Und da ist John Knox, der sich vor niemandem fürchtete, nicht einmal vor
der schottischen Königin, welche unzählige Christen hatte töten lassen. Er
hatte Erfolg und gewann Schottland für Gott. Auch John und Charles Wesley
werden erwähnt und George Whitefield berichtet über sie. Zeugen, soweit das Auge reicht
Während Luther dem deutschen Volk eine verschlossene Bibel öffnete, wurde
Tyndale vom Geiste Gottes angetrieben, dasselbe für England zu tun. Wiklifs Bibel war aus dem lateinischen
Text, der viele Irrtümer enthielt, übersetzt worden. Sie war nie gedruckt
worden, und die Kosten eines geschriebenen Exemplars waren so groß, daß nur
wenige außer den Reichen oder Adligen sie sich verschaffen konnten, und da sie
überdies von der Kirche aufs schärfste geächtet worden war, hatte sie eine
verhältnismäßig geringe Verbreitung gehabt. Im Jahre 1516, ein Jahr vor dem
Erscheinen der Thesen Luthers, hatte Erasmus seine griechische und lateinische
Ausgabe des Neuen Testaments veröffentlicht. Nun wurde das Wort Gottes zum
ersten Mal in der Ursprache gedruckt. In diesem Werk wurden viele Irrtümer der
früheren Ausgaben berichtigt und der Sinn deutlicher wiedergegeben. Es führte
viele der gebildeten Klassen zu einem besseren Verständnis der Wahrheit und gab
dem Werk der Reformation neue Triebkraft. Aber den meisten aus dem gewöhnlichen
Volk war das Wort Gottes noch immer unzugänglich. Tyndale sollte Wiklifs Werk
vollenden und seinen Landsleuten die Bibel geben. Als ein eifriger Schüler, der ernstlich nach
Wahrheit suchte, hatte er das Evangelium aus dem griechischen Testament des
Erasmus empfangen. Furchtlos predigte er
seine Überzeugungen und drang darauf, daß alle Lehren mit dem Worte Gottes
geprüft werden sollten. Auf die päpstliche Behauptung, daß die Kirche die Bibel
gegeben habe und sie allein erklären könne, sagte Tyndale: „Wer hat denn den Adler
gelehrt, seine Beute zu finden? Nur derselbe Gott lehrt seine hungrigen Kinder,
ihren Vater in seinem Worte finden. Nicht ihr habt uns die Schrift gegeben,
vielmehr habt ihr sie uns vorenthalten; ihr seid es, die diejenigen verbrennet,
die sie predigen, ja ihr würdet die Schrift selbst verbrennen, wenn ihr
könntet.“ (D’Aubigné, 18. Buch, 4. Abschn.) Tyndales Predigten machten großen Eindruck; viele
nahmen die Wahrheit an. Aber die Priester waren auf der Hut, und sobald er das
Feld verlassen hatte, suchten sie mit ihren Drohungen und Entstellungen sein
Werk zu vernichten. Nur zu oft gelang es ihnen. „Was soll ich tun?“ rief er
aus. Während ich hier säe, reißt der Feind dort wieder alles aus, wo ich grade
herkomme. Ich kann nicht überall zugleich sein. 0, daß die Christen die Heilige Schrift in ihrer Sprache besäßen, so
könnten sie den Sophisten selbst widerstehen! Ohne die Bibel ist es unmöglich,
die Laien in der Wahrheit zu befestigen.“ (Ebd.) Ein neuer Vorsatz reifte jetzt in ihm. Er sagte: „In Israels eigener Sprache erschollen die Psalmen im Tempel Jehovas, und das Evangelium sollte unter uns nicht reden dürfen in der Sprache Englands? Die Kirche sollte weniger Licht haben jetzt im hohen Mittag als ehemals in den ersten Stunden der Dämmerung? Das Neue Testament muß in der Volkssprache gelesen werden können..“ (Ebd.) Die Doktoren und Lehrer der Kirche stimmten nicht miteinander überein. Nur durch die Bibel konnte das Volk zur Wahrheit gelangen. Der eine hatte diese Lehre, der andere jene; ein Gelehrter widersprach dem andern. „Wie sollen wir da das Wahre vom Falschen unterscheiden? Allein durch das Wort Gottes.“ (Ebd.) Nicht lange darauf erklärte ein katholischer Gelehrter, mit dem er sich in
einen Streit einließ, daß es besser wäre, ohne das Gesetz Gottes als ohne das
Gesetz des Papstes zu sein, worauf Tyndale erwiderte: „Ich trotze dem Papst
samt all seinen Gesetzen. Wenn Gott mir das Leben schenkt, so soll in wenig
Jahren ein Bauernknecht, der seinen Karren treibt, die Schrift noch besser
verstehen als ich.“
(Ebd.) Der von ihm gehegte Vorsatz, dem Volk die Heilige Schrift in seiner eigenen Sprache zu geben, wurde nun bestärkt, und sofort machte er sich an die Arbeit. Durch die Verfolgung von der Heimat vertrieben, ging er nach London und setzte daselbst eine Zeitlang ungestört seine Arbeiten fort. Wiederum jedoch zwang ihn die Gewalttätigkeit der Päpstlichen zur Flucht. Ganz England schien ihm unzugänglich zu sein, und er entschloß sich, in Deutschland Unterkunft zu suchen. Hier begann er den Druck des englischen Neuen Testaments. Zweimal wurde das Werk aufgehalten; wenn es ihm aber verboten wurde, in einer Stadt zu drucken, ging er in eine andere. Schließlich kam er nach Worms, wo Luther wenige Jahre zuvor das Evangelium vor dem Reichstag verteidigt hatte. In jener alten Stadt gab es viele Freunde der Reformation, und Tyndale setzte daselbst sein Werk ohne weitere Hindernisse fort. Dreitausend Exemplare des Neuen Testaments waren bald vollendet, und eine neue Auflage folgte noch im selben Jahr. Mit großem Eifer und unermüdlicher Ausdauer beharrte er bei seiner Arbeit.
Trotzdem die englischen Behörden ihre Häfen mit der größten Wachsamkeit gehütet
hatten, wurde das Wort Gottes auf verschiedene Weise heimlich nach London
geschafft und von dort aus über das ganze Land verbreitet. Die Päpstlichen suchten die Wahrheit zu
unterdrücken, aber vergebens. Der Bischof von Durham kaufte einmal von einem
Buchhändler, der ein Freund Tyndales war, seinen ganzen Vorrat an Bibeln, um
sie zu vernichten, in der Meinung, daß dadurch das Werk gehindert werden würde.
Aber im Gegenteil, mit dem auf diese Weise gewonnenem Geld wurde das Material
zu einer neuen und verbesserten Auflage gekauft, welche sonst nicht hätte
veröffentlicht werden können. Als Tyndale später zum Gefangenen gemacht wurde,
bot man ihm die Freiheit unter der Bedingung an, die Namen derer anzugeben, die
ihm geholfen hatten, die Ausgaben für den Druck seiner Bibeln zu bestreiten. Er
antwortete, daß der Bischof von Durham mehr getan habe, als irgend sonst jemand,
denn da dieser für die vorrätigen Bücher einen hohen Preis bezahlt habe, sei er
befähigt worden, gutes Mutes voranzugehen. Tyndale wurde in die Hände seiner Feinde verraten und mußte viele Monate im Kerker zubringen. Schließlich bezeugte er seinen Glauben mit dem Märtyrertod; aber die von ihm verfertigten Waffen haben andere Streiter befähigt, durch alle Jahrhunderte, sogar bis auf unsere Zeit, den Krieg weiterzuführen. Latimer behauptete von der Kanzel herab, daß die
Bibel in der Sprache des Volkes gelesen werden müsse. „Der Urheber der Heiligen
Schrift,“ sagte er, „ist Gott selbst, und diese Schrift hat einen Anteil an der
Macht und Ewigkeit ihres Urhebers. Es gibt weder Könige, Kaiser, Obrigkeiten
noch Herrscher,... die nicht gebunden wären,... seinem heiligen Wort zu
gehorchen.“ „Laßt uns keine Nebenwege einschlagen, sondern uns vom Worte Gottes
leiten lassen; laßt uns nicht unsern Vätern nachfolgen und auf das sehen, was
sie getan haben, sondern auf das, was sie hätten tun sollen.“ (Latimer, Erste
Predigt vor König Eduard VI.) Barnes und Frith, die treuen Freunde Tyndales,
erhoben sich, um die Wahrheit zu verteidigen. Ihnen folgten Gebrüder Ridley und
Cranmer. Diese Anführer in der englischen Reformation waren gebildete Männer,
und die meisten von ihnen waren ihres Eifers oder ihrer Frömmigkeit wegen in
der römischen Kirche hoch geachtet worden. Ihr Widerstand dem Papsttum
gegenüber kam daher, weil sie mit den Irrtümern des „heiligen Stuhles“ bekannt
waren. Ihre Bekanntschaft mit den Geheimnissen Babylons gab ihren Zeugnissen
gegen dasselbe um so größere Macht. „Ich muß euch eine seltsame Frage stellen,“ sagte
Latimer, „wißt ihr, wer der eifrigste Bischof und Prälat in England ist? ...
Ich sehe, ihr horcht und wartet auf seinen Namen; ... ich will ihn nennen: Es
ist der Teufel. ... Er entfernt sich nie aus seinem Kirchsprengel; ... sucht
ihn, wann ihr wollt, er ist immer zu Hause, ... er ist stets bei der Arbeit.
... Ihr werdet ihn nie träge finden, dafür bürge ich euch. ... Wo der Teufel wohnhaft ist, ... dort weg
mit den Büchern, und Kerzen herbei; weg mit den Bibeln, und Rosenkränze herbei;
weg mit dem Licht des Evangeliums, und Wachsstöcke hoch, ja sogar am hellen
Mittage; ... nieder mit dem Kreuz Christi, es lebe das Fegefeuer, das die
Taschen leert; ... hinweg mit dem Bekleiden der Nackten, Armen und Lahmen;
herbei mit der Verzierung von Bildern und der bunten Schmückung von Stock und
Stein; herbei mit menschlichen Überlieferungen und Gesetzen; nieder mit Gottes
Einrichtungen und seinem Allerheiligsten Worte. ... 0, daß unsere Prälaten so
eifrig wären, die Körner guter Lehre auszustreuen, wie Satan fleißig ist,
allerlei Unkraut zu säen!“ (Latimer, Predigt vom Pflug.) Die unfehlbare Autorität und Macht der Heiligen
Schrift als eine Richtschnur des Glaubens und des Wandels war der große, von
diesen Reformatoren aufrecht gehaltene Grundsatz, den auch die Waldenser,
Wiklif, Johann Hus, Luther, Zwingli und ihre Mitarbeiter hochhielten. Sie
verwarfen die Anmaßung des Papstes, der Konzilien, der Väter und der Könige,
das Gewissen in Religionssachen zu beherrschen. Die Bibel war ihnen Autorität,
und mit ihren Lehren prüften sie alle Lehrsätze und Ansprüche. Der Glaube an Gott und sein Wort stärkte
diese heiligen Männer, als sie ihr Leben auf dem Scheiterhaufen aufgaben. „Sei
guten Mutes,“ rief Latimer seinen Gefährten im Märtyrertum zu, als die Flammen
anfingen ihre Stimme zu ersticken, „wir werden heute durch Gottes Gnade ein
Licht in England anzünden, das, wie ich hoffe, nie ausgelöscht werden wird.“
(Latimers Werke, 1. Bd., S. 13.) In Schottland war der von Kolumban und seinen Mitarbeitern ausgestreute Same der Wahrheit nie völlig vernichtet worden. Jahrhundertelang nachdem die Kirchen Englands sich Rom unterworfen hatten, hielten jene in Schottland ihre Freiheit aufrecht. Im zwölften Jahrhundert jedoch faßte das Papsttum hier Fuß, und in keinem Lande hat es eine unbedingtere Herrschaft ausgeübt. Nirgends war die Finsternis dichter. Dennoch kamen auch Strahlen des Lichts dahin, um das Dunkel zu durchdringen und den kommenden Tag anzukünden. Die mit der Bibel und den Lehren Wiklifs aus England kommenden Lollarden trugen viel dazu bei, die Kenntnis des Evangeliums zu erhalten, und jedes Jahrhundert hatte seine Zeugen und Märtyrer. Zu Anfang der großen Reformation erschienen
Luthers Schriften und dann Tyndales Neues Testament in englischer Sprache.
Unbemerkt von der Priesterherrschaft wanderten diese Boten schweigend über
Berge und Täler, fachten überall die Fackel der Wahrheit, welche in Schottland
nahezu ausgegangen war, zu neuer Flamme an und machten das Werk der
Unterdrückung, welches Rom vier Jahrhunderte getrieben hatte, zunichte. Dann gab das Blut der Märtyrer der Bewegung neuen
Antrieb. Die päpstlichen Anführer, welche plötzlich zur Erkenntnis der ihrer
Sache drohenden Gefahr kamen, brachten etliche der edelsten und gelehrtesten
Söhne Schottlands auf den Scheiterhaufen. Sie errichteten aber damit nur eine
Kanzel, von welcher aus die Worte der sterbenden Zeugen im ganzen Lande gehört
wurden, die das Herz des Volkes mit einem unerschütterlichen Vorsatz erfüllten,
die Fesseln Roms abzustreifen. Hamilton und Wishart, fürstlich nach Charakter und
Geburt, gaben mit einer großen Anzahl geringerer Jünger auf dem Scheiterhaufen
ihr Leben dahin. Aber dem brennenden
Scheiterhaufen Wisharts entstammte einer, den die Flammen nicht zum Schweigen
bringen sollten, einer, der mit Gottes Beistand dem päpstlichen Wesen in
Schottland die Sterbeglocke zu läuten bestimmt war. John Knox hatte sich von den Überlieferungen und
dem Wunderglauben der Kirche abgewandt, um von den Wahrheiten des Wortes Gottes
zu leben, und Wisharts Lehren hatten seinen Entschluß bestärkt, die
Gemeinschaft Roms zu verlassen und sich den verfolgten Reformatoren
anzuschließen. Von seinen Gefährten gebeten, das Amt eines
Predigers anzunehmen, schreckte er mit Zittern vor dessen Verantwortlichkeit
zurück, und erst nach Tagen der Abgeschiedenheit und eines schmerzlichen
Kampfes mit sich selbst willigte er ein. Nachdem
er aber die Stellung einmal angenommen hatte, verfolgte er sein Werk mit
unbeugsamer Entschlossenheit und unverzagtem Mut sein Leben lang. Dieser
unerschrockene Reformator fürchtete sich nicht vor Menschen. Die um ihn her
lodernden Feuer des Märtyrertums dienten nur dazu, seinen Eifer um so mehr
anzufachen. Trotz dem drohend über seinem Haupte schwebendem Henkerbeil des
Tyrannen behauptete er seine Stellung und teilte nach rechts und nach links
herzhafte Streiche aus, um den Götzendienst zu zertrümmern. Als er der Königin von Schottland, in deren
Gegenwart der Eifer vieler Führer der Protestanten abgenommen hatte,
gegenübergestellt wurde, legte John Knox unerschütterlich Zeugnis für die
Wahrheit ab. Er konnte nicht gewonnen werden durch Schmeichelei; er verzagte
nicht vor Drohungen. Die Königin beschuldigte ihn der Ketzerei. Sie erklärte,
er habe das Volk verleitet, eine vom Staate verbotene Religion anzunehmen und
habe auf diese Weise Gottes Gebot, das den Untertanen befehle, ihren Fürsten zu
gehorchen, übertreten. Knox antwortete fest: „Da die richtige Religion weder ihren Ursprung
noch ihre Autorität von weltlichen Fürsten, sondern von dem ewigen Gott allein
erhielt, so sind die Untertanen nicht gezwungen, ihren Glauben nach dem
Geschmack ihrer Fürsten zu richten. Denn oft kommt es vor, daß die Fürsten vor allen
andern in der wahren Religion am allerunwissendsten sind. ... Hätte aller Same
Abrahams die Religion Pharaos angenommen, dessen Untertanen sie lange waren,
welche Religion, ich bitte Sie, Madame, würde dann in der Welt gewesen sein?
Oder wenn in den Tagen der Apostel alle Menschen die Religion der römischen
Kaiser gehabt hätten, welche Religion würde dann auf Erden gewesen sein? ...
Und so, Madame, können Sie sehen, daß Untertanen nicht von der Religion ihrer
Fürsten abhängen, wenn ihnen auch geboten wird, ihnen Ehrfurcht zu erzeigen.“ Da sagte Maria: „Ihr legt die Heilige Schrift auf
eine Weise aus, sie (die römischen Lehrer) auf eine andere; wem soll ich
glauben, und wer soll Richter sein?“ „Sie sollen Gott glauben, der deutlich in seinem Worte spricht,“ antwortete
der Reformator, „und weiter als das Wort lehrt, brauchen Sie weder das eine
noch das andere zu glauben. Das Wort Gottes ist klar in
sich selbst, und wenn irgendeine Stelle dunkel ist, so erklärt der Heilige
Geist, der sich nie widerspricht, sie deutlicher an anderen Stellen, so daß
kein Zweifel obwalten kann, es sei denn für die, welche hartnäckig unwissend
sind.“ (Laing, Knox’ Werke, 2. Bd., S. 281. 284.) Solche Wahrheiten sprach der furchtlose Reformator bei Lebensgefahr vor den Ohren der königlichen Hoheit. Mit demselben unerschrockenen Mut blieb er bei seinem Vorsatz und betete und führte den Krieg des Herrn, bis Schottland vom Papsttum frei war. In England wurde durch die Einführung des
Protestantismus als nationale Religion die Verfolgung vermindert, aber nicht
völlig zum Stillstand gebracht. Während man vielen Lehren Roms absagte, wurden
nicht wenige seiner Formen beibehalten. Die Oberhoheit des Papstes wurde
verworfen, aber an seiner Stelle wurde der Landesfürst als Haupt der Kirche eingesetzt.
Der Gottesdienst wich noch immer weit von der Reinheit und Einfachheit des
Evangeliums ab. Der große Grundsatz religiöser Freiheit wurde noch nicht
verstanden. Wenn auch die schrecklichen Grausamkeiten, welche Rom gegen die
Ketzerei angewandt hatte, von protestantischen Herrschern (s. Anhang, Anm. 19.)
nur selten ausgeführt wurden, so wurde doch das Recht eines jeden, Gott nach
den Vorschriften seines eigenen Gewissens zu verehren, nicht anerkannt. Von
allen wurde verlangt, die Lehren anzunehmen und die Formen beim Gottesdienst zu
beobachten, welche die eingeführte Kirche vorschrieb. Andersdenkende erlitten
jahrhundertelang mehr oder weniger Verfolgung. Im 17. Jahrhundert wurden Tausende von Predigern
aus ihrer Stellung vertrieben. Den
Leuten war es bei Strafe schwerer Geldbußen, Gefängnis und Verbannung
untersagt, irgendwelche religiöse Versammlung zu besuchen, die nicht von der
Kirche anerkannt war. Jene treuen Seelen, die sich nicht enthalten konnten, zur
Verehrung Gottes zusammenzukommen, waren genötigt, sich in dunklen Gäßchen, auf
finsteren Bodenkammern und zu gewissen Jahreszeiten um Mitternacht in den
Wäldern zu versammeln. In den schützenden Tiefen des Waldes, des von Gott
selbst erbauten Tempels, kamen jene zerstreuten und verfolgten Kinder des Herrn
zusammen, um in Gebet und Lobpreisung ihre Herzen auszuschütten. Aber trotz
all ihren Vorsichtsmaßregeln mußten viele um ihres Glaubens willen leiden. Die
Gefängnisse waren überfüllt, Familien wurden getrennt, viele nach fremden
Ländern verbannt. Doch Gott war mit seinem Volk und die Verfolgung vermochte
nicht, ihr Zeugnis zum Schweigen zu bringen. Viele wurden über das Meer nach Amerika vertrieben und legten dort den
Grund zu der bürgerlichen und religiösen Freiheit, welche das Bollwerk und der Ruhm
jenes Landes gewesen ist. Wiederum diente wie in den Tagen der Apostel die
Verfolgung zur Förderung des Evangeliums. In einem abscheulichen, mit Ruchlosen
und Missetätern angefülltem Verlies schien John Bunyan Himmelsluft zu atmen und
schrieb dort sein wunderbares Gleichnis von der Reise des Pilgers aus dem Lande
des Verderbens nach der Himmelsstadt. Mehr als zweihundert Jahre hat jene
Stimme aus dem Gefängnis zu Bedford mit durchdringender Macht zu den Herzen der
Menschen gesprochen. Bunyans „Pilgerreise“ und „Überschwengliche Gnade für den
größten der Sünder“ haben manchen irrenden Fuß auf den Weg des Lebens geleitet. Baxter, Flavel, Alleine und andere Männer von
Talent, Bildung und tiefer christlicher Erfahrung standen auf in kühner
Verteidigung des Glaubens, der einmal den Heiligen übergeben ist. Das Werk,
welches diese, von den Herrschern dieser Welt verfemten und verbannten Männer
vollbrachten, kann nie untergehen. Flavels „Brunnquell des Lebens“ und „Wirkung
der Gnade“ haben Tausende gelehrt, wie sie ihre Seelen Christo anbefehlen
könnten. Baxters „Der umgewandelte Pfarrer“ hat sich vielen, welche eine
Wiederbelebung des Werkes Gottes wünschten, als ein Segen erwiesen, seine
„Ewige Ruhe der Heiligen“ hat Erfolg gehabt, indem es Seelen zu der Ruhe führte,
die noch für das Volk Gottes vorhanden ist. Hundert Jahre später, zu einer Zeit großer Finsternis, erschienen
Whitefield und die Gebrüder Wesley als Lichtträger für Gott. Unter der
Herrschaft der Staatskirche waren die Engländer in einen Zustand religiösen
Verfalls geraten, der sich vom Heidentum nur wenig unterschied. Eine Naturreligion war das bevorzugte
Studium der Geistlichkeit und umfaßte auch den größten Teil ihrer Theologie.
Die höheren Klassen spotteten über Frömmigkeit und brüsteten sich damit, über
solche Schwärmerei erhaben zu sein. Die niederen Stände waren in grober
Unwissenheit befangen und dem Laster ergeben, während die Kirche weder den Mut
noch den Glauben hatte, die Sache der Wahrheit länger zu unterstützen, welche
in Verfall geraten war. Die von Luther so deutlich gelehrte große Wahrheit
von der Rechtfertigung durch den Glauben war beinahe aus den Augen verloren
worden, und der römische Grundsatz, daß die Seligkeit durch gute Werke erlangt
werde, hatte deren Stelle eingenommen. Whitefield und die beiden Wesley, welche
Glieder der Landeskirche waren, suchten aufrichtig nach der Gunst Gottes, die,
wie sie gelehrt worden waren, durch ein tugendhaftes Leben und die Beobachtung
der religiösen Verordnungen erreicht werden könnte. Als Charles Wesley einst krank wurde und den Tod
erwartete, wurde er gefragt, worauf er seine Hoffnung eines ewigen Lebens
stütze. Seine Antwort war: „Ich habe mich nach Kräften bemüht, Gott zu dienen.“
Als der Freund, der ihm die Frage stellte, nicht völlig zufrieden zu sein
schien mit seiner Antwort, dachte Wesley: „Sind meine Bemühungen nicht ein
genügender Grund der Hoffnung? Würde er mir diese rauben, so hätte ich nichts
anderes, worauf ich vertrauen könnte.“ (Whitehead, Leben des Ch. Wesley, S.
102.) Derart war die dichte Finsternis, welche die Kirche einschloß, die
Versöhnung verbarg, Christum seiner Ehre beraubte und den Geist der Menschen
von der einzigen Hoffnung der Seligkeit, dem Blute des gekreuzigten Erlösers,
abwandte. Wesley und seine Mitarbeiter kamen zu der Einsicht, daß die wahre Religion
ihren Sitz im Herzen habe, und daß das Gesetz Gottes sich sowohl auf die
Gedanken als auch auf die Worte und Handlungen beziehe. Überzeugt von der notwendigen Heiligkeit
des Herzens sowohl als von einem rechten äußerlichen Wandel, trachteten sie
jetzt ernstlich nach einem neuen Leben. Durch Fleiß und Gebet versuchten sie
das Böse ihres natürlichen Herzens zu überwinden. Sie lebten ein Leben der
Selbstverleugnung, Liebe und Demut und beobachteten mit großer Strenge und
Genauigkeit jede Maßregel, welche ihnen zur Erlangung dessen, was sie am
meisten wünschten - jene Heiligkeit, welche die Huld Gottes verschaffen kann -
dienlich schien. Aber sie erreichten das vorgesteckte Ziel nicht. Vergebens
waren ihre Bestrebungen, sich von der Verdammnis der Sünde zu befreien oder
ihre Macht zu brechen. Es war derselbe
Kampf, welchen Luther in seiner Zelle zu Erfurt durchgemacht hatte, dieselbe
Frage, die seine Seele gemartert hatte: „Wie mag ein Mensch gerecht sein bei
Gott?“ (Hiob 9, 2.) Das auf den Altären des Protestantismus beinahe ausgelöschte Feuer der göttlichen Wahrheit sollte von der alten Fackel, welche die böhmischen Christen brennend erhalten hatten, wieder angezündet werden. Nach der Reformation war der Protestantismus in Böhmen von den römischen Horden niedergetreten worden. Alle, welche der Wahrheit nicht entsagen wollten, wurden zur Flucht gezwungen. Etliche dieser Verbannten fanden eine Zuflucht in Sachsen, wo sie den alten Glauben aufrechterhielten. Von den Nachkommen dieser Christen kam das Licht zu Wesley und seinen Mitarbeitern. Nachdem John und Charles Wesley zum Predigtamt
eingesegnet worden waren, wurden sie mit einem Auftrag nach Amerika gesandt. An
Bord des Schiffes war eine Gesellschaft Mährischer Brüder. Auf der Überfahrt
erhoben sich heftige Stürme, und John Wesley, da er den Tod vor Augen sah,
fühlte, daß er keine Versicherung des Friedens mit Gott hatte. Die Mährischen
Brüder hingegen bekundeten eine Ruhe und ein Vertrauen, die ihm fremd waren. Er sagte: „Ich hatte lange zuvor den großen Ernst
ihres Benehmens beobachtet. Sie hatten beständig ihre Demut an den Tag gelegt,
indem sie für die anderen Reisenden niedrige Dienstleistungen verrichteten,
welche keiner der Engländer unternehmen wollte. Sie hatten dafür keine
Bezahlung verlangt, sondern sie ausgeschlagen, indem sie sagten, es wäre gut
für ihre stolzen Herzen, und ihr Heiland hätte noch mehr für sie getan. Jeder
Tag hatte ihnen Gelegenheit geboten, Sanftmut zu zeigen, die durch keine
Beleidigung bewegt werden konnte. Wurden sie gestoßen, geschlagen oder
niedergeworfen, so erhoben sie sich wieder und gingen weg; aber keine Klage
wurde in ihrem Munde erfunden. Jetzt sollten sie geprüft werden, ob sie von dem
Geist der Furcht ebenso frei waren wie von dem des Stolzes, des Zornes und der
Rachsucht. Während des Singens eines
Psalms, womit ihr Gottesdienst begann, brach eine Sturzwelle herein, riß das
große Segel in Stücke, bedeckte das Schiff und drang über das Deck, als ob die
große Tiefe uns bereits verschlungen hätte. Unter den Engländern erhob sich ein
furchtbares Angstgeschrei. Die Brüder sangen ruhig weiter. Ich fragte nachher
einen von ihnen: Waren Sie nicht erschrocken? Er antwortete: Gott sei Dank
nicht. Aber, sagte ich, waren ihre Weiber und Kinder nicht erschrocken? Er
erwiderte mild: Nein, unsere Weiber und Kinder fürchten sich nicht zu sterben.“
(Whitehead, Leben des Ch. Wesley, S. 10 f.) Nach der Ankunft in Savanna weilte Wesley eine
kurze Zeit bei den Mährischen Brüdern, und ihr christliches Betragen machte
einen tiefen Eindruck auf ihn. Über einen ihrer Gottesdienste, die in
schlagendem Gegensatz zu dem leblosen Formenwesen der Kirche Englands standen,
schrieb er: „Die große Einfachheit sowohl als auch die Feierlichkeit des Ganzen
ließen mich die dazwischen liegenden 1700 Jahre beinahe vergessen und
versetzten mich in eine Versammlung, wo Form und Staat nicht waren, sondern wo
Paulus, der Zeltmacher, oder Petrus, der Fischer, unter Kundgebung des Geistes
und der Kraft, den Vorsitz hatten.“ (Ebd.) Auf seiner Rückreise nach England gelangte Wesley
unter der Belehrung eines Mährischen Predigers zu einem klareren Verständnis
des biblischen Glaubens. Er wurde überzeugt, daß sein Seelenheil nicht von
seinen eigenen Werken abhinge, sondern daß er einzig auf „Gottes Lamm, welches
der Welt Sünde trägt,“ vertrauen müsse. Auf
einer in London abgehaltenen Versammlung der Mährischen Brüder wurde eine
Aussage Luthers vorgelesen, welche die Veränderung beschrieb, die der Geist
Gottes im Herzen des Gläubigen bewirkt. Indem Wesley zuhörte, wurde der Glaube
in seiner eigenen Seele entzündet. „Ich fühlte mein Herz seltsam erwärmt,“
sagte er. „Ich fühlte, daß ich auf Christum und Christum allein vertraute für
mein Seelenheil; und ich erhielt die Versicherung, daß er meine, ja meine
Sünden weggenommen und mich von dem Gesetz der Sünde und des Todes erlöst
habe.“ (Ebd., S. 52.) Während langer Jahre mühsamen und trostlosen Ringens Jahre strenger Selbstverleugnung, Schmach und Erniedrigung hatte Wesley unverwandt den einen Vorsatz festgehalten, Gott zu suchen. Nun hatte er ihn gefunden, und er erfuhr, daß die Gnade, die er durch Beten und Fasten, durch Almosen geben und Selbstverleugnung erlangen wollte, eine Gabe „ohne Geld und umsonst“ war. Als er einmal im Glauben Christi begründet war,
brannte seine ganze Seele mit Verlangen, überall eine Kenntnis des herrlichen
Evangeliums von der freien Gnade Gottes zu verbreiten. „Ich betrachte die ganze Welt als mein Kirchspiel,“ sagte er, „und wo
ich in demselben sein mag, erachte ich es als passend, recht und meine heilige
Pflicht, allen, die willens sind zuzuhören, die frohe Botschaft des Heils zu
verkündigen.“ (Ebd., S. 74.) Er fuhr fort in seinem strengen, selbstverleugnenden Leben, das nun nicht der Grund, sondern die Folge des Glaubens, nicht die Wurzel, sondern die Frucht der Heiligung war. Die Gnade Gottes in Christo ist die Grundlage der Hoffnung des Christen, und jene Gnade zeigt sich im Gehorsam. Wesleys Leben war der Verkündigung jener großen Wahrheiten gewidmet, die er empfangen hatte Gerechtigkeit durch den Glauben an das versöhnende Blut Christi, und die herzerneuernde Macht des Heiligen Geistes, die ihre Frucht bringt in einem Leben, das mit dem Beispiel Christi übereinstimmt. Whitefield und die beiden Wesley waren durch lange
und tiefe persönliche Überzeugung ihres eigenen verlorenen Zustandes für ihr
Werk vorbereitet worden; und damit sie imstande sein möchten, als gute Streiter
Christi Schwierigkeiten zu erdulden, waren sie der feurigen Probe des Spottes,
des Hohnes und der Verfolgung sowohl in der Universität als auch beim Antritt
ihres Predigtamtes ausgesetzt gewesen. Sie und einige andere, welche mit ihnen
übereinstimmten, wurden von ihren gottlosen Mitstudenten verächtlich
Methodisten genannt - ein Name, der gegenwärtig von einer der größten
christlichen Gemeinschaften in England und Amerika als ehrenvoll angesehen
wird. Als Glieder der englischen Kirche waren sie den
Formen ihres Gottesdienstes sehr ergeben; aber der Herr hatte ihnen in seinem
Worte ein höheres Ziel gezeigt. Der Heilige Geist nötigte sie, Christum, den
Gekreuzigten, zu predigen. Die Macht des’ Höchsten begleitete ihre Arbeit.
Tausende wurden überzeugt und wahrhaft bekehrt. Diese Schafe mußten vor den
reißenden Wölfen geschützt werden. Wohl hatte Wesley keinen Gedanken daran,
eine neue Gemeinschaft zu gründen, doch vereinigte er sie als die
Methodistische Verbindung. Geheimnisvoll und schwierig war der Widerstand, den diese Prediger von der
Staatskirche erfahren mußten; doch Gott in seiner Weisheit hatte diese
Ereignisse geleitet, um die Reformation in der Kirche selbst zu beginnen. Wäre
sie völlig von außen gekommen, so würde sie dort nicht durchgedrungen sein, wo
sie so sehr vonnöten war. Da aber die Erweckungsprediger Kirchenmänner waren und im Gebiete der
Kirche arbeiteten, wo sie Gelegenheit finden konnten, gewann die Wahrheit
Eingang, wo sonst die Türen verschlossen geblieben wären. Einige Geistliche
wurden aus ihrem sittlichen Stumpfsinn aufgerüttelt und fingen an, in ihren
eigenen Pfarreien eifrig zu predigen. Gemeinden, welche durch den Formalismus
versteinert worden waren, wurden lebendig. Zu Wesleys Zeiten wie in allen Zeitaltern der
Kirchengeschichte betrieben Männer von verschiedenen Gaben das ihnen
zugewiesene Werk. Sie stimmten nicht mit jeglichem Punkt der Lehre überein,
waren aber alle vom Geist Gottes getrieben und eins in dem alles überragenden
Vorhaben, Seelen für Christum zu gewinnen. Die Meinungsverschiedenheiten
zwischen Whitefield und den beiden Wesley drohten sie einmal zu entfremden; als
sie aber in der Schule Christi Sanftmut lernten, wurden sie durch gegenseitige
Geduld und christliche Liebe versöhnt. Sie hatten keine Zeit zum Wortstreit,
wenn überall Irrtum und Sünde sich breitmachten und Sünder dem Verderben
entgegengingen. Gottes Diener wandelten auf einem rauhen Pfad.
Männer von Einfluß und Bildung wandten sich gegen sie. Nach einer Weile
bekundeten viele Geistliche eine ausgesprochene Feindschaft gegen sie, und die
Türen der Kirchen wurden dem reinen Glauben sowie denen, die ihn verkündigten,
verschlossen. Das Verfahren der Geistlichkeit, sie von der Kanzel herab zu
verdammen, erregte die Mächte der Finsternis, der Unwissenheit und der
Ungerechtigkeit. Wieder und wieder
entging John Wesley durch ein Wunder der rettenden göttlichen Gnade dem Tode. Wenn die Wut des Pöbels gegen ihn
erweckt war, und kein Weg des Entrinnens da zu sein schien, trat ein Engel in
Menschengestalt an seine Seite, die Menge wich zurück, und der Diener Gottes
ging unbehelligt von der Stätte der Gefahr. Über seine Errettung von der Wut des Pöbels bei einem solchen Anlaß sagte Wesley: „Viele machten Anstrengungen, mich niederzuwerfen, während wir auf einem schlüpfrigen Pfade bergab zur Stadt gingen, da sie richtig urteilten, daß wenn ich einmal zu Fall gebracht wäre, ich wohl kaum wieder aufstehen würde. Aber ich fiel nicht, glitt nicht einmal im geringsten aus, bis ich gänzlich aus ihren Händen war. ... Obgleich viele sich Mühe gaben, mich am Kragen oder an meinem Rock zu erfassen, um mich nieder zuziehen, konnten sie doch keinen Halt gewinnen; nur einem gelang es, einen Zipfel meines Rockschoßes festzuhalten, der bald in seiner Hand blieb, während die andere Hälfte, in welcher sich eine Tasche mit einer Banknote befand, nur halb abgerissen wurde. Ein derber Mensch, unmittelbar hinter mir, holte mehrmals aus, mich mit einem dicken Eichenstock zu schlagen - hätte er mich nur einmal damit auf das Hinterhaupt getroffen, so hätte er sich jede weitere Mühe sparen können. Aber jedesmal wurde der Schlag abgewendet, ich weiß nicht wie; denn ich konnte mich weder zur Rechten noch Linken bewegen. Ein anderer stürzte durch das Gedränge, erhob seinen Arm zum Schlag, ließ ihn aber plötzlich sinken und streichelte mir den Kopf mit den Worten: Welch weiches Haar er hat. Die allerersten, deren Herzen gewandt wurden, waren die Gassenhelden, die Anführer des Pöbelhaufens bei allen Anlässen, von welchen einer ein Ringkämpfer im Bärengarten war. ... „Wie allmählich bereitet Gott uns auf seinen
Willen vor! Vor zwei Jahren streifte ein Stück von einem Ziegelstein meine
Schultern, ein Jahr später traf mich ein Stein zwischen die Augen, letzten
Monat empfing ich einen Schlag und heute abend zwei, einen ehe wir in die Stadt
kamen, und einen nachdem wir hinausgegangen waren; doch beide waren wie nichts,
denn obgleich mich ein Mann mit aller Gewalt auf die Brust schlug und der
andere mit solcher Wucht auf den Mund, daß das Blut sofort hervor strömte, so
fühlte ich doch nicht mehr Schmerz von dem einen oder dem anderen der Schläge,
als wenn sie mich mit einem Strohhalm berührt hätten.“ (Wesleys Werke, 3. Bd.,
S. 297 f.) Die Methodisten jener Zeit - das Volk und auch die
Prediger ertrugen Spott und Verfolgung sowohl von Kirchengliedern als auch von
den offenbar Gottlosen, die sich durch die falschen Darstellungen jener
anfeuern ließen. Sie wurden vor Gerichtshöfe gestellt, die freilich nur dem
Namen nach solche waren; denn Gerechtigkeit fand sich selten in den
Gerichtshöfen jener Zeit. Oft erlitten
sie Gewalt von ihren Verfolgern. Pöbelhaufen gingen von Haus zu Haus,
zerstörten Hausgeräte und Güter, plünderten, was ihnen gefiel, und mißhandelten
in roher Weise Männer, Frauen und Kinder. Durch öffentliche Anzeigen wurden
alle, welche sich am Einwerfen von Fenstern und Plündern der Häuser der Methodisten
zu beteiligen wünschten, aufgefordert, sich zu gegebener Stunde an einem
bestimmten Ort zu versammeln. Diese offene Verletzung menschlicher wie auch
göttlicher Gesetze ließ man ungetadelt vor sich gehen. Man verfolgte planmäßig
die Leute, deren einziger Fehler es war, zu versuchen, den Fuß der Sünder vom
Pfad des Verderbens auf den Weg der Heiligkeit zu lenken. John Wesley sagte über die Anschuldigungen gegen
ihn und seine Gefährten: „Einige machen geltend, daß die Lehren dieser Männer
falsch, irrtümlich, schwärmerisch und neu sind, daß man erst kürzlich von ihnen
gehört, und daß sie Quäkerismus, Schwärmerei und Papsttum seien. Diese ganze
Behauptung ist bereits an der Wurzel abgehauen worden, da ausführlich gezeigt
wurde, daß jeder Zweig dieser Lehre die deutliche Lehre der Heiligen Schrift
ist, wie sie von unserer eigenen Kirche ausgelegt wird, und die deshalb nicht
falsch oder irrtümlich sein kann, vorausgesetzt, daß die Heilige Schrift wahr
ist.“ „Andere geben vor: ’Ihre Lehre ist
zu streng, sie machen den Weg zum Himmel zu schmal;’ und dies ist in Wahrheit
der ursprüngliche Einwand, wie es für eine Zeitlang der einzige war, und liegt
heimlich tausend anderen zugrunde, welche in verschiedener Gestalt erscheinen.
Aber machen sie den Weg himmelwärts schmäler, als unser Herr und seine Apostel
ihn machten? Ist ihre Lehre strenger als die der Bibel? Betrachtet nur einige
deutliche Bibelstellen: ’Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem
Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften, und von ganzem Gemüte.’ ’Die
Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht von einem jeglichen
unnützen Wort, das sie geredet haben.’ ’Ihr esset nun oder trinket oder was ihr
tut, so tut es alles zu Gottes Ehre.’ (Luk. 10, 12; Matth. 12,36; 1. Kor.
10,31.) Wenn ihre Lehre strenger ist als dies, so sind sie
zu tadeln; ihr seid aber in eurem Gewissen überzeugt, daß dem nicht so ist. Und
wer kann um ein Jota weniger genau sein, ohne das Wort Gottes zu verdrehen? Kann irgendein Haushalter des Geheimnisses
Gottes treu erfunden werden, wenn er irgendeinen Teil jenes heiligen
Unterpfandes verändert? - Nein, er kann nichts umstoßen; er kann nichts
gelinder machen; er ist gezwungen, allen Menschen zu erklären: Ich darf die
Heilige Schrift nicht zu eurem Geschmack
herabwürdigen. Ihr müßt euch nach ihr richten oder auf ewig zugrunde gehen.
Dies gibt allerdings Veranlassung zu dem volkstümlichen Geschrei: die
Lieblosigkeit dieser Menschen! Lieblos sind sie? In welcher Beziehung? Speisen
sie nicht die Hungrigen und kleiden die Nackten? Ja, aber das ist nicht die
Sache; es mangelt ihnen nicht hierin; aber sie sind lieblos im Urteil; sie
denken, es könne niemand gerettet werden außer jenen, welche auf dem von ihnen
vorgeschriebenen Weg gehen.“ (Wesleys Werke, 3. Bd., S. 152 f.) Das geistliche
Siechtum, welches sich in England unmittelbar vor Wesleys Zeit zu erkennen
gegeben hatte, war in hohem Grade die Folge der gesetzesfeindlichen Lehre. Viele behaupteten, Christus habe das
Sittengesetz abgeschafft, die Christen ständen deshalb unter keiner
Verpflichtung, es zu beobachten, denn ein Gläubiger sei von der „Knechtschaft
der guten Werke“ befreit. Andere, obgleich sie die Beständigkeit des Gesetzes
zugaben, erklärten es für unnötig, daß die Prediger das Volk zur Beobachtung
seiner Vorschriften anhielten, da die, welche Gott zum Heil bestimmt habe,
„durch den unwiderstehlichen Antrieb der göttlichen Gnade zu Frömmigkeit und
Tugend angeleitet würden,“ wogegen diejenigen, welche zur ewigen Verdammnis
bestimmt seien, „nicht die Kraft hätten, dem göttlichen Gesetze Gehorsam zu
leisten.“ Andere, welche gleichfalls behaupteten, daß „die Auserwählten nicht von der Gnade abfallen noch der göttlichen Gunst verlustig gehen könnten,“ kamen zu der noch schrecklicheren Annahme, daß „die bösen Handlungen, welche sie begehen, in Wirklichkeit nicht sündhaft seien noch als Übertretung des göttlichen Gesetzes betrachtet werden könnten, und daß sie folglich keinen Grund hätten, ihre Sünden zu bekennen noch sich von ihnen durch Buße abzuwenden.“ (McClintock and Strong’s Cyclopedia, Art. Antinomians.) Deshalb erklärten sie, daß selbst eine der gröbsten Sünden, „die allgemein als eine schreckliche Übertretung des Gesetzes Gottes betrachtet werde, in Gottes Augen keine Sünde sei,“ wenn sie von einem seiner Auserwählten begangen werde, „da es eins der wesentlichen und auszeichnenden Merkmale der Auserwählten sei, nichts tun zu können, das entweder nicht wohlgefällig vor Gott oder durch das Gesetz verboten ist.“ Diese ungeheuerlichen Lehren sind wesentlich dieselben wie die späteren Lehren der Volkserzieher und Theologen - daß es kein unveränderliches göttliches Gesetz als Richtmaß des Rechtes gebe, sondern daß der Maßstab der Sittlichkeit durch die Gesellschaft selbst angezeigt werde und beständig dem Wechsel unterworfen gewesen sei. Alle diese Gedanken sind von dem nämlichen Geisterfürst eingegeben, nämlich dem, der selbst unter den sündenfreien Bewohnern des Himmels sein Werk anfing und versuchte, die gerechten Einschränkungen des Gesetzes Gottes zu beseitigen. Die Lehre von der göttlichen, unabänderlichen
Vorausbestimmung des Menschen hat viele zu einer tatsächlichen Verwerfung des
Gesetzes Gottes geführt. Wesley trat den Irrtümern der gesetzesfeindlichen
(antinomistischen) Lehrer standhaft entgegen und zeigte, daß diese Lehre der
Gesetzesverwerfung der Heiligen Schrift zuwiderlief. „Denn es ist erschienen
die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.“ „Denn solches ist gut und angenehm
vor Gott, unserm Heiland, welcher will, daß a1len Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit
kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler,... Christus Jesus, der sich
selbst gegeben hat für alle zur
Erlösung.“ (Titus 2, 11; 1. Timotheus. 2, 3-6.) Der Geist Gottes wird in einem
reichlichen Maße verliehen, um einen jeglichen zu befähigen, die Heilsmittel zu
ergreifen. So erleuchtet Christus, „das
wahrhaftige Licht,... alle Menschen,... die in diese Welt kommen.“ (Joh. 1, 9.)
Die Menschen verlieren das Heil durch ihre eigene vorsätzliche Verweigerung der
Gabe des Lebens. Als Antwort auf die
Behauptung, daß beim Tode Christi die Vorschriften der Zehn Gebote mit dem
Zeremonialgesetz abgeschafft worden seien, sagte Wesley: „Das Sittengesetz, wie
es in den Zehn Geboten enthalten und von den Propheten eingeschärft worden ist,
hat er nicht abgetan. Es war nicht der Zweck seines Kommens, irgendeinen Teil
davon abzuschaffen. Es ist dies ein Gesetz, das nie gebrochen werden kann, das
feststeht wie der treue Zeuge im Himmel. ... Dasselbe war von Anbeginn der Welt
und wurde nicht auf steinerne Tafeln, sondern in die Herzen aller
Menschenkinder geschrieben, als sie aus der Hand des Schöpfers hervorgingen.
Und wie sehr auch die einst von Gottes Finger geschriebenen Buchstaben jetzt
durch die Sünde verwischt sein mögen, so können sie doch nicht gänzlich
ausgetilgt werden, solange uns ein Bewußtsein von Gut und Böse bleibt. Ein jeglicher Teil dieses Gesetzes muß für
alle Menschen und zu allen Zeitaltern in Kraft bleiben, da es nicht von Zeit
oder Ort noch von irgendwelchen anderen dem Wechsel unterworfenen Umständen,
sondern von der Natur Gottes und der Natur der Menschen und ihren
unveränderlichen Beziehungen zueinander abhängig ist. „’Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu
erfüllen’ …Unzweifelhaft meint er hier (in Übereinstimmung mit alledem, was
vorangeht und folgt): ich bin gekommen, es in seiner Vollkommenheit
aufzurichten, trotz allen menschlichen Deutungen; Ich bin gekommen, alles, was
in ihm dunkel und undeutlich war, in ein volles und klares Licht zu stellen;
Ich bin gekommen, die wahre und volle Bedeutung eines jeglichen Teiles zu
erklären, die Länge und Breite und die ganze Tragweite eines jeglichen darin
enthaltenen Gebotes sowie die Höhe und Tiefe, dessen unbegreifliche Reinheit
und Geistlichkeit in allen seinen Zweigen zu zeigen.“ (Wesleys Werke, 25.
Predigt.) Wesley verkündigte die vollkommene Übereinstimmung zwischen dem Gesetz und
dem Evangelium, wenn er sagte: Es besteht deshalb die denkbar innigste
Verbindung zwischen dem Gesetz und dem Evangelium. Einerseits bahnt das Gesetz
beständig den Weg für das Evangelium und weist uns darauf hin; andererseits
führt uns das Evangelium beständig zu einer genaueren Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz zum Beispiel verlangt von uns,
Gott und den Nächsten zu lieben und sanftmütig, demütig oder heilig zu sein.
Wir fühlen, daß wir hierzu nicht tüchtig sind; ja daß dies dem Menschen
unmöglich ist; aber wir sehen eine Verheißung Gottes, uns diese Liebe zu geben
und uns demütig, sanftmütig und heilig zu machen; wir ergreifen dies
Evangelium, diese frohe Botschaft; uns geschieht nach unserm Glauben; und die
Gerechtigkeit des Gesetzes wird in uns erfüllt durch den Glauben an Christum
Jesum. ... „Die größten Feinde des Evangeliums Christi sind
die, welche offen und ausdrücklich das Gesetz richten und übel davon reden,
welche die Menschen lehren, das ganze Gesetz, nicht nur eins seiner Gebote, sei
es das geringste oder das größte, sondern sämtliche Gebote zu brechen
(aufzuheben, zu lösen, seine Verbindlichkeit zu beseitigen.) Höchst erstaunlich ist es, daß die, welche
sich dieser starken Täuschung ergeben haben, wirklich glauben, Christus dadurch
zu ehren, daß sie sein Gesetz umstoßen und wähnen, sein Amt zu verherrlichen,
während sie seine Lehre vernichten! Ah, sie ehren ihn gerade wie Judas tat,
als er sagte: ’Gegrüßet seist du, Rabbi, und küßte ihn.’ Wohl mag er ebenso
billig zu einem jeglichen von ihnen sagen: ’Verrätst du des Menschen Sohn mit
einem Kuß?’ Irgendeinen Teil seines Gesetzes auf leichtfertige Weise beiseite
zusetzen unter dem Vorwand, sein Evangelium zu fördern, ist nichts anderes als
ihn mit einem Kuß zu verraten, von seinem Blute zu reden und seine Krone
wegzunehmen. In der Tat kann keiner dieser Anschuldigung entgehen, der den
Glauben in einer Weise verkündigt, die direkt oder indirekt dahin führt,
irgendeinen Teil des Gehorsams beiseite zusetzen - keiner, der Christum also
predigt, daß dadurch irgendwie selbst das geringste der Gebote Gottes ungültig
oder geschwächt werde.“ (Ebd.) Denen, die darauf bestanden, daß „das Predigen des
Evangeliums allen Zwecken des Gesetzes entspreche,“ erwiderte Wesley: „Dies
leugnen wir gänzlich. Es kommt schon dem allerersten Endzweck des Gesetzes
nicht nach, nämlich die Menschen von der Sünde zu überführen und die, welche
noch immer am Rande der Hölle schlafen, aufzurütteln. “ Der Apostel Paulus
erklärt: „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“; „und nicht ehe der
Mensch sich der Schuld bewußt ist, wird er wirklich die Notwendigkeit des
versöhnenden Blutes Christi fühlen. ... Wie unser Heiland auch selbst erklärt:
’Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.’ Es ist deshalb
töricht, den Gesunden oder denen, die sich gesund wähnen, einen Arzt
aufzudrängen. Sie müssen erst überzeugt sein, daß sie krank sind, sonst werden
sie keine Hilfe verlangen. Ebenso töricht ist es, demjenigen Christum
anzubieten, dessen Herz noch ganz und unzerbrochen ist. “ (Ebd., 35. Predigt.) So bestrebte sich Wesley, während er das Evangelium von der Gnade Gottes predigte, gleich seinem Herrn „das Gesetz herrlich und groß“ zu machen. Getreu verrichtete er das ihm von Gott anvertraute Werk, und herrlich waren die Folgen, die er sehen durfte. Am Schluß eines langen Lebens von mehr als achtzig Jahren, wovon er mehr als ein halbes Jahrhundert als Reiseprediger zubrachte, belief sich die Zahl seiner bekenntlichen Anhänger auf mehr als eine halbe Million Seelen. Doch die Menge, welche durch sein Wirken aus dem Verderben und der Entartung der Sünde zu einem höheren und reineren Leben erhoben worden war, und die Zahl derer, welche durch seine Lehre eine tiefere und reichere Erfahrung gewonnen hatten, werden wir nicht wissen, bis die gesamte Familie der Erlösten in das Reich Gottes gesammelt werden wird. Sein Leben bietet jedem Christen eine Lehre von unschätzbarem Wert. Möchten doch der Glaube und die Demut, der unermüdliche Eifer, die Selbstaufopferung und Hingabe dieses Dieners Christi in den heutigen Gemeinden widerstrahlen! |